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Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Mordskind: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Susanne Mischke
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sie verkniff es sich. Über Tote nichts Schlechtes. »Den Wein werde ich jedenfalls nicht wegschütten.«
    »Vernünftige Einstellung«, lobte Erich.
    »Wie jemand so durchdrehen kann.« Fassungslos schüttelte Frank Mückel den Kopf. »In der Zeitung stand: fachmännisch die Kehle durchgeschnitten.«
    »Sie kann die Metzgerstochter halt doch nicht verleugnen«, warf Barbara naserümpfend dazwischen.
    »Das muß ja das reinste Massaker gewesen sein«, bemerkte Frank Mückel und wandte sich an Paula: »Sag mal, Paula, ich will dir ja nicht zu nahe treten, aber war es Doris selber, die ihm das Messer durch den Hals zog, oder hat sie dafür, wie soll ich sagen …«
    »So, das war’s«, fuhr Siggi dazwischen und ließ seine Faust auf den runden Tisch krachen. »Klappe! Ende! Auch wenn ihr mich für pietätlos haltet, womit ihr zweifellos recht habt, wir sind nicht hergekommen, um über Leichen in Weinkellern zu reden. Und nichts anderes tun wir seit einer Stunde. Zur Sache jetzt! Was ist mit dem Stück? Geht’s weiter oder nicht?« Er blickte in die kleine Runde. Lediglich der harte Kern hatte sich an diesem Montagabend, eine Woche nach den eben ausführlich erörterten Vorgängen, zusammengefunden.
    »Wenn wir das Stück absetzen, reißt das ein ganz schönes Loch in die Theaterkasse.«
    »Da muß ich dir recht geben, Erich«, sagte Dieter König, der sich damit zum ersten Mal an diesem Abend zu Wort meldete.
    »Aber ist es nicht ein bißchen … nun ja, geschmacklos, einfach weiterzuspielen, als ob nichts gewesen wäre?« wandte Gudrun ein.
    »Ich sage euch was«, wisperte Barbara geheimnisvoll, als wäre der Probenraum von oben bis unten verwanzt, »die Leute sind total heiß drauf, uns zu sehen. Gerade, weil das alles passiert ist.«
    »Was erwarten sie?« fragte Paula, »daß wir auf der Bühne übereinander herfallen? Und ich bezweifle, ob sie Doris für ihren Auftritt aus der U-Haft rauslassen werden.«
    Siggi nickte. »Ja, das glaube ich, die Leute sind so. Uns umweht jetzt die Aura des Verbrechens, und nichts ist attraktiver als das. Du, Paula, wirst die Heldin des Abends sein, das garantiere ich.«
    »Na toll!«
    »Eigentlich fehlt uns jetzt bloß noch ein Frauenmörder in der Runde.« Frank Mückel bleckte sein Gebiß zu einer Fratze.
    »Hör auf mit dem Quatsch!« mahnte ihn Barbara. »Aber Siggi hat recht. Ich wette, wir können mindestens zehnmal vor vollem Haus spielen.«
    »Vom finanziellen Standpunkt aus wäre das überaus begrüßenswert.«
    »Doris zu ersetzen ist kein Problem«, erklärte Siggi, »Gitta übernimmt das.«
    »Der Zolt spielt doch weiter, oder?« fragte Barbara.
    Siggi nickte. »Ja. Er hatte nur heute keine Zeit.« Er zwirbelte seinen Bart und blickte in die Runde: »Was ist mit dir, Paula? Fühlst du dich dem gewachsen, nach allem …«
    »Was? Ach so, ja. An mir soll’s nicht liegen. Jetzt erst recht!«
    »Na, dann würde ich doch sagen: In zwei Wochen ist Premiere!«
    Alle schnatterten wieder wild drauflos, jemand zauberte eine Flasche Sekt hervor, Partystimmung machte sich breit. Nur Paula war mit ihren Gedanken woanders. Sie dachte an Lilli. Seit zwei Wochen hatte sie nichts von ihr gehört, was normalerweise nichts Ungewöhnliches war, unter diesen Umständen aber doch. Seit ihrer Entlassung aus der Klinik wählte Paula jeden Tag die Nummer, die Lilli ihr hinterlassen hatte, aber nie ging jemand an den Apparat. Eine Adresse wußte sie nicht.
    Waren sie und Simon ihr denn auf einmal so gleichgültig? Hatte Paula sich womöglich über all die Jahre ein zu rosiges Bild von Lilli gemacht, ähnlich wie von ihrem Vater?
    Schon am nächsten Morgen erreichte sie das Telegramm und kurz darauf der Brief:
     
    Montag, 24. April
    Liebste Paula, mein lieber Simon,
    sicher wißt Ihr schon Bescheid, und ich schulde Euch eine Erklärung. Entschuldige die kleine Schwindelei mit der Reise, aber Du, Paula, hattest zu dieser Zeit so viele Schwierigkeiten, daß ich Dich nicht zusätzlich mit Dingen belasten wollte, die in Anbetracht meiner Leberwerte unvermeidlich sind.
    Es ging mir bis jetzt recht gut, der Laden hier bietet etwas fürs viele Geld: ordentliches Personal, eine malerische Aussicht auf den Genfer See und eine Küche, die keine Wünsche offen läßt, vor allem nicht an die Weinkarte. Den anderen Gespenstern, die hier herumgeistern, gehe ich aus dem Weg, weil sie mich mit ihrem Gejammer deprimieren. Aber die Ärzte sind hinter ihren besorgten Gesichtern recht umgängliche,
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