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Mord mit kleinen Fehlern

Titel: Mord mit kleinen Fehlern
Autoren: Lisa Scott
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wieder an die Arbeit, nachdem die Menschen kollektiv ihre Batterien aufgeladen hatten. Schachtelförmige weiße Busse rollten Straßen entlang, die am Vortag für den Verkehr noch gesperrt gewesen waren. Grün behemdete, städtische Angestellte spießten Pappbecher und Papiertüten von den Straßen auf. Die Ladenbesitzer rollten ihre Sicherheitsgitter klappernd hoch. Die Menschen schlenderten zur Arbeit, trugen saubere Hemden und eine frische Sommerbräune, hielten Aktenkoffer in den Händen, die sie das Wochenende über nicht geöffnet hatten. Viele von ihnen hatten, wie Anne, eine zusammengefaltete Zeitung unter den Arm gesteckt.
    FEUERWERK VOM VIERTEN JULI!, lautete die Schlagzeile ihrer Dail y News , einer Sonderausgabe. Anne hätte FALL ABGESCHLOSSEN bevorzugt. Matt war schon im Gericht und beantragte eine Einstellung des Verfahrens. Es wäre doch zu schwierig gewesen, die Klage aufrechtzuerhalten, wenn die Klägerin wegen Mordes in Untersuchungshaft saß.
    Anne schritt mit hoch erhobenem Kopf in ihren graubraunen Blahniks. Sie trug ein butterkremfarbenes Leinenkostüm mit einem weißen Stretch-T-Shirt. Sie fühlte sich fast wieder normal, nur dass »normal« jetzt bedeutete: keine Sonnenbrille, kein Lippenstift und dafür eine Narbe auf der Lippe. Sie war etwas spät dran, weil sie ihre Haare wieder in die Ursprungsfarbe zurückgefärbt hatte. Mentale Notiz: Da s Lebe n is t z u kurz , u m etwa s andere s al s ei n Rotschop f z u sein.
    Ihr Schritt war fest und lebhaft, als sie die Locust entlangmarschierte, nur noch einen Häuserblock von der Kanzlei entfernt. Ein ungekanntes Glücksgefühl erfüllte sie, das keineswegs nur ihrer Aufmachung zuzuschreiben war, sondern größtenteils ihrer Idee. Allein der Gedanke erfüllte sie mit neuem Antrieb, während sie auf ein Meer an Kameras, Reportern und Übertragungswagen vor dem Kanzleigebäude zusteuerte. Streifenbeamte, insgesamt acht, hinderten die Presse daran, den Verkehr zu blockieren. Anne lächelte angesichts der Ironie dieses Anblicks. Das waren mehr Cops, als sie das ganze Wochenende über gesehen hatte.
    Ein Reporter am Rand der Menge erkannte sie als Erster und rannte auf sie zu. »Ms. Murphy, wie haben Sie die Mörderin überführt?« »Welches Motiv hatte Beth Dietz? «
    »Wir wollen die Story exklusiv!« Andere Reporter sammelten sich um sie, und Kameralinsen zielten auf Annes Gesicht. »Ms. Murphy! Anne! Hierher bitte!«, rief es von allen Seiten, und alle fluteten auf sie zu.
    Anne schwang ihre Daily News. »Kein Kommentar!«, erklärte sie und bahnte sich zielstrebig einen Weg durch das Gedränge. »Ich gebe keinen Kommentar ab!«
    Sie pflügte sich durch die Massen, während Fotoapparate klickten und Videokameras surrten, dann wurde ihr der Weg von einem Fernsehreporter verstellt. Doch plötzlich fuhr eine fleischige Hand an dem Reporter vorbei und bot Anne Hilfe an. Sie blickte dankbar auf, und am anderen Ende des Armes erkannte sie den heißen Herb, in voller Montur.
    »Aus dem Weg! Aus dem Weg!«, brüllte er, bugsierte alle Störungen aus dem Weg und führte Anne zum Eingang des Gebäudes, wo er sie vor sich hineinschob und ihr durch die Drehtür folgte. Er eskortierte sie in die Lobby, lachte und wischte sich mit einem gefalteten Taschentuch die Stirn.  »Meine Herrn! Diese Kerle sind echt verrückt! «
    »Danke, Sie waren meine letzte Rettung«, sagte Anne. Sie war derart guter Laune, dass sie sogar froh war, den heißen Herb zu sehen, der ausnahmsweise einmal mehr amüsiert als lüstern auf sie heruntergrinste.
    »So, Karottentop, dann waren Sie also die neue Botin?«
    »Ja, das war ich. Und tut mir Leid, dass ich Sie anschwindeln musste! «
    »Machen Sie Witze?« Herb winkte ab und begleitete sie kichernd zum Aufzug, der bereits im Erdgeschoss wartete.  »Ich bin einfach froh, dass Sie noch am Leben sind. Ich mag Sie, Kleines.« Seine Stimme klang ehrlich, fast väterlich.
    Anne trat in die Aufzugskabine und drückte auf den Knopf. »Danke, ich fühle mich geschmeichelt«, sagte sie. Die Türen schlossen sich, und der Aufzug trug sie nach oben.
    Die Aufzugstüren hatten sich kaum wieder geöffnet, als die Empfangsdame von ihrer Theke aufsprang und Anne umarmte. Aus allen Büros strömten Sekretärinnen und Kanzleimitarbeiterinnen und taten es ihr gleich. »Sie sind am Leben! Sie sind wirklich am Leben!«, riefen sie im Chor, und Anne, die sich langsam, aber glücklich daran gewöhnte, Freundinnen zu haben, wusste genau, was sie zu tun
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