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Mord in h-moll

Mord in h-moll

Titel: Mord in h-moll
Autoren: Alexander Borell
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steckte sie schon den Kopf zur Tür herein.
    »Schick, was? Ich hätte im >Apollo< bleiben und weitersingen sollen. Eine gute Chansonette hat noch immer Chancen bei den Männern!«
    »Das kannst du ja wieder anfangen«, sagte ich atemlos. Ich hatte in diesem Augenblick erkannt, was mir das Schicksal, oder der Zufall, da in die Hände gespielt hatte.
    »Vielleicht«, sagte sie und verschwand wieder in der Küche, wo sie wahrscheinlich ihren Rotwein trank wie jeden Abend. Aber diesmal ließ sie die Türe offen. Sie mußte sich singen hören.
    Jetzt endlich wußte ich, wie Hilda sterben würde.
    Es folgten noch einige Schlager. Mit zitternden Fingern hielt ich meine Uhr und kontrollierte die Zeit. Für jedes Chanson, das sie auf das Tonband gesungen hatte, dankte ich ihr im stillen. Je länger sie sang, desto sicherer würde mein Plan gelingen.
    Mit einem kessen Matrosensong schloß die Darbietung auf dem Tonband. Es lief mit Hildas Singerei fast sieben Minuten. Das war lange genug.
    Ich spulte das Band zurück und steckte es in die Innentasche meiner Jacke. Es war jetzt mein kostbarster Besitz, es war für mich ein Vermögen wert. Mehr noch, es bedeutete für mich die Freiheit, ein neues Leben und — das Geld von Hildas Lebensversicherung.
    Ich registrierte meine Tonbänder in einer kleinen Kartei. Die Karte mit der >Unvollendeten<, der Hildas Chansons folgten, nahm ich heraus und steckte sie ebenfalls ein. Jetzt mußte ich einen klaren Kopf behalten. Keinen noch so kleinen Fehler durfte ich von jetzt an begehen, mit allen Möglichkeiten war zu rechnen. Wie viele Mörder waren an winzig kleinen, ganz nebensächlichen Zufällen gescheitert! Das durfte mir nicht passieren.
    Da ich manchmal vor dem Schlafen ein wenig spazierenging, hob Hilda kaum den Kopf, als ich an ihr vorbei zur Garderobe ging, um meinen Mantel anzuziehen.
    »Ich gehe noch ein paar Schritte in den Park«, sagte ich und bekam nicht einmal eine Antwort.
    Drunten im Park zerriß ich die Karteikarte und warf die winzigen Schnitzel einzeln, in großen Abständen in den schnellen Bach, der hier vorüberfloß.
    Wenn jemals die Polizei meine Tonbänder kontrollieren würde, fand sie keines mit der >Unvollendeten< und — Hildas Stimme.
    Das Band selbst trug ich bei mir wie einen Schatz, von dem ich mich auch keine Sekunde mehr trennen würde.
    Dann setzte ich mich unter eine Laterne auf eine Bank und überlegte. Jetzt lag alles klar vor mir, und jetzt galt es nur noch, jedes kleinste Detail genau durchzudenken.
    Etwa eine Stunde später schlenderte ich nach Hause. Morgen früh würde Hilda sterben. Ich war froh, daß sie schon in ihrem Zimmer verschwunden war, als ich heimkam.
    Ich schob das Tonband unter mein Kopfkissen, legte mich ins Bett und löschte das Licht aus. Noch einmal dachte ich alles durch, und da fiel mir noch etwas ein.
    Wenn ich einen Brief an mich selbst schrieb und ihn noch heute nacht am Bahnhofsschalter eingeschrieben an mich aufgab, dann würde morgen früh der Briefträger gezwungen sein, mit mir zu sprechen. Ich würde dann einen einwandfreien Zeugen für ein Alibi haben.
    Ich stand auf, nahm einen leeren Briefbogen, steckte ihn in einen Umschlag, adressierte ihn an mich selbst und zog mich wieder an.
    Mit der Straßenbahn fuhr ich zum Bahnhof. Als ich aber vor dem Bahnpostamt stand, kamen mir doch Zweifel.
    Für gewöhnlich interessierte sich keine Zeitung für einen Mann, dessen Frau einen Unfall erlitten hatte. Aber — es konnte zufällig auch einmal anders sein. Ich hatte keine absolute Garantie dafür, daß nicht doch irgendein neunmalkluger Polizist Verdacht schöpfte. Und ehe ich mich versehen konnte, erschien ein Bild von mir in der Zeitung. Und dann würde sich der Beamte vom Bahnpostamt sicherlich daran erinnern, daß dieser abgebildete Mann noch spät nachts einen Einschreibebrief aufgegeben hatte. Ich hörte schon den Polizisten fragen: an wen haben
    Sie diesen Brief geschickt? Und damit wäre ich geliefert gewesen.
    Also kehrte ich wieder um, zerriß auch diesen Brief und warf die Schnitzel in zwei verschiedene Papierkörbe am Bahnhof. So leicht kann man einen Fehler machen.
    Zu Hause ging alles glatt. Ich legte mich wieder ins Bett, und merkwürdigerweise schlief ich rasch ein.
    Ich muß gestehen, daß ich am nächsten Morgen weder unruhig noch nervös gewesen bin. Mein Entschluß stand so fest, und es erschien mir alles so kurz und einfach, daß ich keine Sekunde mehr zögerte.
    Ich legte das Tonband auf, ließ die
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