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Mord in h-moll

Mord in h-moll

Titel: Mord in h-moll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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Wohnzimmer, stellte das Gerät ab und schloß den Deckel. Das Tonband selbst konnte ich jetzt nicht herausnehmen, ich wollte das später tun, wenn alles vorüber war, um es zu vernichten. Das Gerät selbst war heiß. Aber wer würde sich in dieser Situation um das Tonbandgerät kümmern?
    Und dann hörte ich Erwin Macks erstickten Schreckensschrei.
    Ich lief auf die Diele, sah ihn verstört an der Tür lehnen, und gab mir Mühe, ein verständnisloses Gesicht zu machen. »Was ist denn passiert?«
    Er schloß die Tür. Ich sah, wie er sich zusammennahm, als er auf mich zukam.
    »Es ist... etwas Schreckliches... ein Unglück. Deine Frau...«
    Er hielt mich fest, aber ich riß mich los, stürzte zum Bad, warf einen Blick hinein und spielte einen echten Zusammenbruch.
    Teilnahmsvoll wollte mich Erwin Mack ins Wohnzimmer führen, aber ich deutete auf die Tür zu meiner kleinen Schlafkammer.
    »Dorthinein... bitte«, stöhnte ich und ließ mich gebrochen auf mein Bett sinken. Damit wollte ich verhindern, daß er das noch warme Tonbandgerät entdeckte.
    Plötzlich kam mir zum Bewußtsein, daß ich womöglich einen schweren Fehler begangen hatte. War mein Verhalten richtig gewesen? Reagierte so ein Ehemann, der überraschend die Leiche seiner Frau in der Badewanne entdeckt?
    Hätte ich nicht den Verzweifelten spielen müssen, der an der Wanne zusammenbricht? Oder hätte ich nicht, kopflos vor Entsetzen, den Versuch unternehmen sollen, Hilda aus dem Wasser zu ziehen, sie zu retten? Hätte ich nicht mit vor Aufregung bebender Stimme Erwin Mack auffordern müssen, mir bei augenblicklichen Wiederbelebungsversuchen zu helfen?
    Schon hörte ich den Kriminalbeamten fragen: Woher haben Sie denn gewußt, Herr Roeder, daß Ihre Frau tot ist? War es Ihnen denn bekannt, daß sie schon den ganzen Tag über im Wasser lag? Was sollte ich auf eine solche Frage antworten?
    Nun, ich konnte mich mit meinem Schrecken ausreden. Und ich konnte erklären, daß ihr Kopf, der unter Wasser lag, mich zu der Annahme veranlaßte, sie sei tot. Und gebadet — ja, gebadet hatte sie doch heute morgen, also mußte sie schon so lange tot sein.
    Ich beruhigte mich ein wenig, markierte aber heftiges Zusammenzucken, als mich Erwin Mack sanft an der Schulter berührte.
    »Ich glaube, Stefan, man muß... soll ich nicht einen Arzt anrufen?«
    Ich fuhr auf.
    »Ja«, schrie ich. »Ja, natürlich. Sofort! Tu das bitte für mich, draußen steht das Telefon.«
    Er verschwand, und ich hörte ihn sprechen. Bald kam er wieder zu mir herein.
    »Der Arzt wird gleich hier sein.«
    Ich hockte auf der Bettkante und brütete vor mich hin.
    Gut, der Arzt würde also kommen. Er konnte nur den Tod feststellen. Selbstverständlich würde er die Polizei verständigen, in solchen Fällen konnte er gar nicht anders handeln.
    Und dann würden die Polizisten kommen, denen ich mein Sprüchlein hersagen mußte. Natürlich durfte ich ihnen nicht gleich mit meinem großartigen Alibi ins Gesicht springen, das mußte sich ergeben. Man durfte die Polizei nicht unterschätzen, denn Fehler wollte ich keineswegs begehen.
    »Kann ich noch irgend etwas für dich tun?« hörte ich Erwin Mack fragen.
    »Nein, danke«, erklärte ich müde.
    In diesem Augenblick fiel mir etwas ein, das mir den kalten Schweiß auf die Stirne trieb. Von meiner Tonbandidee wie besessen, hatte ich etwas übersehen, irgendwo in meiner Kriminalliteratur stand ein Aufsatz über Mord in der Badewanne. Ich glaube, es handelte sich um einen Prozess in England, das Gericht hatte nachgewiesen, daß man Badewannenmorde ohne Schwierigkeit aufklären kann. Diesen Artikel hätte ich vor meiner Tat noch einmal studieren sollen.
    »Bitte«, murmelte ich, »bitte laß mich allein, Erwin... ich muß versuchen, meine Gedanken zu sammeln, wenn der Arzt kommt.«
    Erwin Mack schaute mich an, er zögerte. Ich schüttelte den Kopf.
    »Nein, du brauchst keine Sorge zu haben, ich tu mir nichts an.«
    Nur halb beruhigt ging er hinaus.
    Ich griff hastig nach dem Buch, in dem ich den Artikel vermutete. Vielleicht war es noch nicht zu spät, vielleicht konnte ich gerade noch eine Katastrophe verhindern.
    Je länger ich blätterte, desto stärker wurde in mir das Gefühl, irgend einen verhängnisvollen Fehler begangen zu haben. Was hatte ich falsch gemacht?
    Ich erlebte förmlich die Szene mit dem Kriminalbeamten, der mir Fragen stellte, eine oder zwei, und dann würde diese eine bedeutungsvolle Frage kommen, auf die ich keine Antwort geben

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