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Mord in h-moll

Mord in h-moll

Titel: Mord in h-moll
Autoren: Alexander Borell
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Entschluß gefaßt zu haben. Noch nie war ich so glücklich wie in diesen Sekunden, als ich das Haus betrat. Nun konnte ich Karin sagen: eben habe ich einen Brief an Dr. Herrmann aufgegeben, es steht alles drin, und jetzt stelle ich mich der Polizei. Und dann würde Karin erkennen, daß sie doch keinen ganz unwürdigen Menschen geliebt hatte, sondern einen Mann, der bereit war, für seine Tat zu sühnen.
    Ich wollte gerade die Wohnungstür aufschließen, als meine Hand mit dem Schlüssel erstarrte. Musik drang aus der Wohnung.
    Es traf mich wie ein Schlag vor die Brust. Ich kannte die Musik. Es war Schuberts »Unvollendete«.
    Ich hielt verkrampft den Atem an.
    Da... da war der kleine Fehler...
    Es war mein Tonband. Das Tonband, mit dem ich Hilda getötet hatte, das Tonband, dessentwegen Carl Weynert mich erpreßt hatte.
    Wäre ich in diesem Augenblick imstande gewesen, klar zu denken, hätte mich das nicht mehr berühren können. Ich wollte ja, daß alles entdeckt wurde.
    Aber in diesen Sekunden hatte ich alles vergessen, was ich mir vorgenommen hatte. Ich sah nur noch einen neuen Erpresser.
    Außer mir und fast besinnungslos vor Wut stürzte ich ins Wohnzimmer.
    Da stand der Kerl neben meinem Tonbandgerät und grinste. Er grinste mich einfach an.
    »Wie kommen Sie hier herein?« schrie ich ihn an.
    »Unten«, sagte er. »Der Hausbesitzer hat mich reingelassen. Ich sagte, wir seien alte Bekannte.«
    Mit einem Satz war ich neben ihm und stellte das Tonband ab.
    »Sie gemeiner Hund!« keuchte ich. »Woher haben Sie dieses gottverfluchte Band?«
    »Woher wohl? Dreimal dürfen Sie raten.«
    »Also hat Weynert doch noch eins gehabt. Und jetzt glauben Sie, mich weiter erpressen zu können, wie er es getan hat, was?"
    Er zuckte gelassen mit den Schultern.
    »Wer weiß?« sagte er. »Wieviel wollte Weynert denn von Ihnen haben?«
    »Zehntau... ach was, das geht Sie einen Dreck an.«
    Ich bemühte mich, das Band aus dem Gerät zu lösen, als ich die Stimme des Mannes hinter mir hörte.
    »Jetzt nehmen Sie mal die Hände hoch, Freundchen.«
    Erschrocken drehte ich mich um und starrte in die Mündung einer Pistole.
    Mein Gesicht verzerrte sich zu einem Grinsen.
    »Alles schon dagewesen«, lachte ich hysterisch. »Das gleiche hat Weynert auch versucht.«
    »Irrtum«, sagte der Mann. »Wenn zwei das gleiche tun, ist es nicht immer dasselbe.« Er griff mit seiner freien Linken in die Tasche und zog — einen Ausweis hervor.
    »Kriminalpolizei. Sie haben verspielt, Roeder. Diesmal endgültig.«
    Meine Hände suchten irgendwo Halt.
    »Spielen Sie mir keine große Komödie mehr vor, Roeder. Ein Mann, der kaltblütig zwei Menschen ermordet, hat keine so zarten Nerven.«
    Ich starrte wie gebannt auf mein Tonbandgerät.
    »Woher... was wollten Sie mit diesem Tonband?«
    »Jemand hat es uns geschickt. Leider erst so spät. Immerhin war anzunehmen, daß Sie alles abstreiten würden. Deshalb brauchte ich diese kleine Überraschung. Wollen Sie jetzt noch leugnen? Wollen Sie etwa noch behaupten, Ihre Frau sei einem Unfall zum Opfer gefallen?«
    Nun war mir also auch die letzte, die allerletzte Chance genommen worden: ich konnte mich nicht einmal mehr freiwillig stellen.
    »Sie können Ihre Pistole einstecken«, sagte ich müde. »Ich komme mit Ihnen.«
    »Na also«, sagte er. »Aber versuchen Sie nicht...«
    »Ich werde keinen Fluchtversuch machen. Im Gegenteil, ich wollte ein Geständnis schreiben und mich freiwillig stellen. Hier... sehen Sie, hier ist das Papier, ich habe es vorhin gekauft. Ich wollte alles auf schreiben.«
    Ein unendlich verächtlicher Blick traf mich.
    »Das alles können Sie später erzählen. Kommen Sie jetzt mit.«
    Mit der Pistole in der Hand verließ er hinter mir die Wohnung.

    Einige Tage später habe ich Dr. Herrmann gebeten, sich keine Mühe mehr mit mir zu geben. Das Gericht hat mir einen Pflichtverteidiger gestellt. Einen freundlichen, unbedeutenden Mann, der es mit mir nicht schwer hat, und der seine Pflicht tut, wie er sie tun muß, weil er dafür bezahlt wird. Das ist mir gerade recht.
    In der ersten Woche meiner Untersuchungshaft wollte man mir weder Papier noch Bleistift bewilligen, und ich amüsierte mich beinahe darüber, wie ängstlich man um mich bemüht war. Sie dachten immer, ich würde vielleicht Selbstmord begehen.
    Jetzt allmählich haben sie begriffen, daß ich nur noch auf meine Strafe warte, daß ich meine Strafe abbüßen werde. Und jetzt habe ich auch Papier und Bleistift bekommen, um mein
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