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Mord in h-moll

Mord in h-moll

Titel: Mord in h-moll
Autoren: Alexander Borell
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Gedanke.
    »Ist das der Mann, mit dem du in Davos gewesen bist?«
    Sie lachte hell auf.
    »Du liebe Güte, jetzt fängt er auch noch an zu denken. Laß das lieber, das hat dir noch nie gut getan.«
    Ich wurde meinen Argwohn nicht los. Noch nie hatte ich etwas davon gehört, daß sie einen Anwalt kannte.
    Sie ging an mir vorbei ins Badezimmer und sagte:
    »Versuche ja nicht, die Sache aufzuschieben. Heute abend erzählst du mir, wie die Dinge stehen, verstanden?«
    Warum brachte ich es nicht fertig, aufzuspringen, ihr links und rechts eine herunterzuhauen und ihr zu sagen, daß ich gar nicht daran dächte, zu diesem Anwalt zu gehen? Warum saß ich stumm am Tisch und rührte in meinem kalten Tee?
    »Gib mir gefälligst eine Antwort!« hörte ich sie sagen.
    »Ja, ja«, sagte ich, »ich werde heute nachmittag zu Dr. Mühlbacher gehen.«
    »Na also.«
    Die Badezimmertür schloß sich hinter ihr. Kurz darauf hörte ich das Wasser rauschen, und als ich die Wohnung verließ, sang Hilda ihre alten Chansons.
    Während ich einen endlosen Tag an meinem Schalter stand, Geld kassierte und ausgab, waren meine Gedanken ganz woanders.
    Ich kann sie nicht einfach verschwinden lassen, dachte ich. Das würde mir zwar die Freiheit bringen, aber man würde Hilda suchen, ich mußte eine Vermißtenanzeige auf geben, es würde zuviel Zeit vergehen, und — die Versicherung würde nicht bezahlen. Aber das Geld brauchte ich schon bald.
    Es mußte wie ein Unfall aussehen.
    Wie kommen Unfälle zustande? Auf der Straße, im Verkehr. Es würde mir kaum möglich sein, einen tödlichen Verkehrsunfall zu inszenieren. Auch Medikamente konnten mir nicht weiterhelfen, denn Hilda war gesund und nahm keine, nicht einmal Schlaftabletten.
    Mit Elektrizität? Irgendwo Strom anschließen, damit sie einen Schlag bekam? Ich verstand zu wenig von Elektrizität, um eine solche Anlage bauen zu können.
    Mit Gas? Wir hatten keines.
    Ein Sturz aus dem Fenster? Wir wohnten im zweiten Stock, die Höhe würde vielleicht nicht ausreichen, um einen sofortigen Tod herbeizuführen. Außerdem würde man mir dann nachweisen, daß ich in unserer Wohnung gewesen war.
    Gegen Mittag war ich mit meinen Nerven fertig. Noch heute nacht mußte ich Hilda töten, sonst würde sich die Auszahlung der Versicherung zu lange hinziehen. Die dreitausend Mark mußten in die Kasse zurück.
    Aber wie sollte ich es tun?
    Ich dachte daran, einen Abschiedsbrief zu schreiben und die Tat als einen Selbstmord zu tarnen. Aber auch das war mir zu primitiv. Vor allem hatte ich weder Zeit noch Mittel genug, ein solches Vorhaben in Ruhe und mit der nötigen Präzision vorzubereiten.
    In der Mittagspause ging ich die wenigen Schritte über die Straße und setzte mich auf eine Bank am Flußufer. Die belegten Brote, die ich mir jeden Morgen selber richtete, lagen unangetastet neben mir.
    »Darf ich mich zu Ihnen setzen. Herr Roeder?«
    Ich fuhr zusammen und blickte auf.
    Karin Uhlmann stand neben mir, mit einer braunen Obsttüte in der Hand. Ihre dunklen Augen hinter den Brillengläsern waren fragend auf mich gerichtet.
    »Bitte«, sagte ich.
    Sie setzte sich und reichte mir die Tüte.
    »Eine Birne?«
    Mechanisch griff ich danach und biß hinein. Sie war kühl und saftig. Eine Weile schwiegen wir, dann sagte Karin: »Was ist eigentlich mit Ihnen los? Fühlen Sie sich nicht wohl?«
    Mir ist sterbenselend, hätte ich am liebsten geantwortet.
    »O doch, ich bin nicht krank«, sagte ich.
    »Sie sehen aber so aus. Ich will ja nicht neugierig sein, aber so gut kenne ich Sie nun doch schon. Irgend etwas bedrückt Sie. Kann ich Ihnen vielleicht helfen?«
    Kein Mensch konnte mir helfen, ich mußte alles allein tun, mit allem allein fertig werden.
    »Mich bedrückt gar nichts«, sagte ich. »Wirklich nicht. Im Gegenteil, ich freue mich darauf, mit Ihnen in Stuttgart zusammenzuarbeiten. «
    Sie lächelte mich an. Bis dahin hatte ich noch nie beobachtet, daß sie so gesunde, hübsche Zähne hatte.
    »Na, ich weiß nicht recht«, sagte sie. »Bisher dachte ich immer, ein Mensch, der sich freut, würde anders aussehen. Aber nichts für ungut, es geht mich ja nichts an. Noch eine Birne?«
    Ich nahm wirklich noch eine. Wenn ich an meine belegten Brote dachte, würgte es mich im Hals. Plötzlich sagte Karin:
    »Und mir können Sie trotzdem nichts vormachen. Ich weiß schon lange, daß Ihre Ehe nicht in Ordnung ist.«
    Ich war überrascht.
    »Meine Ehe? Aber die ist doch... wie kommen Sie darauf?«
    »Sowas fühlt eine
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