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Mord in h-moll

Mord in h-moll

Titel: Mord in h-moll
Autoren: Alexander Borell
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ihren schlanken, langen Hals lege und einfach zudrücke, solange, bis sie nicht mehr atmet?
    Du lieber Gott, so rasch also kommt es zu einem Mord. Nein, es wäre nicht einmal ein Mord, es wäre Totschlag im Affekt, wie die Juristen es nennen. Aber würde man mir den Affekt glauben?
    Alle Zeugen würden aussagen, daß meine Ehe glücklich gewesen sei. Das wäre günstig für mich, denn dann könnte sich das Gericht meine Tat leichter mit einer Affekthandlung erklären.
    Aber ich wollte ja gar nicht ins Gefängnis, auch nicht wegen eines Totschlags. Vor allem wäre dann auch meine Unterschlagung herausgekommen. Die hätte ich dann sogar, um die Geschworenen milde zu stimmen, eingestehen müssen.
    Ich ging hinaus.
    Aber meine Mordgedanken liefen nun auf vollen Touren. Wenn ich Hilda nun tatsächlich einfach erwürgte? Ich konnte allen Leuten erzählen, sie sei zu ihren Verwandten in die Ostzone gefahren, habe die Gelegenheit ausgenützt, als ich ohnedies nach Stuttgart fahren mußte. Niemand würde zunächst Verdacht schöpfen. In Stuttgart kannte uns niemand, also würde auch niemand meine Frau vermissen. Ich könnte mir selbst fingierte Briefe mit ihrer Handschrift...
    Kein Mensch würde jemals auf den Verdacht kommen, ich sei ein Mörder. Der kleine bescheidene Stefan Roeder — nein, man würde nicht im entferntesten an so etwas denken. Und das gerade war die Situation, die ich brauchte. Mörder werden nur gefaßt, wenn überhaupt ein Mordverdacht auftaucht.
    Ich betrat entschlossen die Küche. Hilda saß noch am Tisch. Sie hatte die langen Beine übereinandergeschlagen und trank.
    Als sie mich sah, zog sie die Augenbrauen hoch.
    »Gut, daß du nochmals kommst. Ich habe es mir überlegt, Stefan: ich bin nicht bereit, noch eine volle Woche zu warten. Du gehst besser sofort zum Anwalt. Morgen schon. Hast du verstanden?«
    Langsam ging ich auf sie zu. Sie wurde ärgerlich.
    »Ob du mich verstanden hast? Und zwar gehst du zu meinem Anwalt, nicht zu irgendeinem. Ich schreibe dir die Adresse auf.«
    Ich stand nur noch zwei Schritte vor ihr, und ich war ganz ruhig, als ich sagte:
    »Hilda, ich bringe dich um!«

2

    Das Schicksal hat mich wohl dazu ausersehen, gerade dann am lächerlichsten zu wirken, wenn ich es am ernstesten meine.
    Hilda stutzte zwar eine Sekunde, aber dann brach sie in Lachen aus, in schallendes Lachen!
    »Du!« rief sie und schüttelte sich in einem Lachkrampf. »Du willst mich umbringen! Du liebe Güte, wenn du dich nur sehen könntest! Dann würdest du begreifen, daß man mit sowas nicht länger verheiratet sein kann.« Plötzlich aber schlug ihre heitere Stimmung um. Sie sprang auf, griff nach dem nassen Spüllappen und schlug ihn mir klatschend ins Gesicht. Kalte Verachtung stand in ihren Augen.
    »Du willst mich umbringen, du Hanswurst! Du bist ja nicht einmal dazu Manns genug!«
    Ich habe sie nicht erwürgt. Ich habe mich nicht auf sie gestürzt und ihren Hals umklammert. Ich habe mich überhaupt nicht bewegt. Ich war gelähmt und wünschte mir nichts so sehr, als jetzt selber tot umzufallen.
    Als sie die Hand mit dem nassen Lappen nochmals gegen mich hob, floh ich aus der Küche.
    »Feigling!« hörte ich sie hinter mir herrufen. »Elender, mieser Feigling!«
    Ich verkroch mich in meinem Zimmer.
    Plötzlich wurde mir ganz heiß. Welche fürchterliche Dummheit hätte ich beinahe begangen! Wenn ich Hilda tatsächlich umgebracht hätte, wie wäre es denn dann weitergegangen? Wohin hätte ich die Leiche schaffen sollen? Niemals wäre mir die Versicherung ausbezahlt worden.
    Die Versicherung! Die zehntausend Mark Versicherung erinnerten mich wieder daran, daß ich in erster Linie das Geld beschaffen mußte, das Geld, das ich aus der Geschäftskasse genommen hatte. Diese unterschlagenen dreitausend Mark waren wichtiger als alles andere.
    Ich legte mich zu Bett, schloß die Augen und schlief nach einer Weile unruhigen Nachdenkens ein.
    Am nächsten Morgen hockte ich in alter Gewohnheit am Frühstückstisch. Hilda kam herein und warf einen Zettel vor mich auf den Tisch.
    »Da, ich habe dir die Adresse meines Anwalts aufgeschrieben. Du wirst ihn heute besuchen. Ich rufe ihn an und sage ihm Bescheid. Vormittags ist er bei Gericht, du wirst ihn also erst heute nachmittag erreichen.«
    Ich las, was sie mir mit ihren großen, steilen Buchstaben aufgeschrieben hatte.
    »Dr. Erwin Mühlbacher, Georgenstraße 32«.
    Sorgsam faltete ich den Zettel zusammen und steckte ihn ein. Dann kam mir ein toller
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