Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord in h-moll

Mord in h-moll

Titel: Mord in h-moll
Autoren: Alexander Borell
Vom Netzwerk:
Pepitakostüm, das sie trug, hatte ich noch nie gesehen. Auch das kleine schwarze Hütchen nicht.
    Sie kam herein, warf ihre Handschuhe auf den Küchentisch und musterte mich.
    »Na«, sagte sie. »Du siehst ja heute so aufgekratzt aus. Hast du eine Aufbesserung bekommen?«
    Sie hatte einen unheimlichen Blick für so was, nichts konnte man ihr verbergen.
    »Ja, sozusagen«, antwortete ich. »Wir machen eine Filiale in Stuttgart auf, und ich soll die Leitung dieser Filiale übernehmen.«
    Sie zog die Mundwinkel herab.
    »Stuttgart? Keine zehn Gäule kriegen mich dorthin.«
    »Aber...« Ich war schon wieder hilflos vor Überraschung. Damit hatte ich nicht gerechnet. »Aber... es ist doch eine hübsche Stadt. Und ich — ich verdiene dort auch viel mehr.«
    »Du solltest hier mehr verdienen. Stuttgart kommt nicht in Frage.«
    »Aber... Herrgott nochmal, ich kann dem Chef doch nicht sagen, daß ich lieber hier bleibe, daß ich lieber an der Kasse stehe.«
    »Sag ihm, was du willst. Das geht mich nichts an. Aber ich bleibe hier. Ich kenne in Stuttgart keinen Menschen, und hier habe ich meine Freundinnen.«
    »Gut«, sagte ich. »Dann gehe ich eben allein. Ich kann mir ja dort ein möbliertes Zimmer nehmen.«
    Kann sein, daß meine Stimme zu hoffnungsvoll geklungen hatte. Hilda wurde sofort mißtrauisch.
    »Du, allein? Kommt erst recht nicht in Frage. Dein Geld in Kneipen oder sonstwie verjubeln, das könnte dir so passen.«
    »Ich will doch dort nur arbeiten. Als Filialleiter... das ist doch eine Auszeichnung.«
    Sie zuckte mit den Schultern.
    »Du und eine Auszeichnung. Vermutlich hat man keinen anderen gefunden, der dorthin will. Aber mit dir kann man sowas ja machen. Du hättest lieber endlich einmal um eine Aufbesserung bitten sollen. Seit drei Jahren immer das gleiche Gehalt. Wer außer dir läßt sich denn heutzutage so was bieten.«
    Ich band die Schürze ab und schleuderte sie in die Ecke.
    »Verdammt nochmal, ich lasse mich nicht dauernd von dir so behandeln. Ich habe zugesagt, und ich werde Filialleiter in Stuttgart.«
    »Unverbesserlich«, sagte sie nur und ging hinaus. Kurze Zeit später hörte ich sie im Schlafzimmer singen. Die Wut packte mich. Ich riß ihre Türe auf.
    »Gib mir die Papiere. Die Erbschaftspapiere, von Onkel Theodor.«
    Sie zündete sich eine Zigarette an.
    »Wozu denn?«
    »Ich brauche sie.«
    »Wozu?«
    »Ich brauche sie eben.«
    »Die hab’ ich auf der Bank. Wozu willst du sie?«
    »Ich muß versuchen, Geld darauf zu bekommen.«
    »Auf meine Erbschaft? Du bist wohl verrückt geworden.«
    »Es ist unsere Erbschaft. Schließlich sind wir verhei...«
    Sie fuhr auf.
    »Du bist gut! Ist mein Onkel gestorben oder deiner? Ist es etwa deine Erbschaft?«
    Ich gab mir die größte Mühe, ruhig zu bleiben. Wenn ich jetzt die Nerven verlor, dann gab es nur eine sinnlose Zankerei, die zu gar nichts führte. Ich mußte die Papiere in die Hand bekommen, sonst war ich verloren.
    Ich setzte mich auf den kleinen Hocker vor Hildas Toilettentisch, auf dem unzählige kleine Fläschchen blitzten. In Gedanken griff ich nach meiner Schachtel mit den Zigarillos, nahm mir eins heraus und wollte es gerade anzünden, als Hilda mich kalt zurechtwies:
    »Weißt du denn immer noch nicht, daß ich dieses üble Zeug nicht riechen kann? Geh gefälligst auf die Straße, wenn du qualmen willst.«
    Ich steckte das Zigarillo ein. Ich mußte die Papiere bekommen.
    »Gut, Hilda, ich rauche nicht. Aber nun laß mal ernsthaft mit dir reden. Als du damals krank wurdest...«
    Sie ließ mich wieder nicht ausreden.
    »Aha, das bekomme ich jetzt wohl zum hundertsten Mal vorgehalten, was?«
    Ich hatte es ihr noch nie vorgehalten.
    »Nein, das wollte ich nicht. Aber damals gab ich dir doch dreitausend Mark.«
    »Na und? Ich mußte sowieso Schulden machen. Die paar Kröten reichten hinten und vorne nicht.«
    »Gut, Hilda, es war nicht viel. Aber mehr konnte ich nicht auftreiben.«
    »Du kannst überhaupt nichts, was andere Männer können. Wenn ich sehe, wie meine Freundinnen leben, dann bin ich ein armes Würstchen dagegen.«
    »Das wird ja nun besser«, versuchte ich einzuwenden. »Als Filialleiter werde ich...«
    Sie hielt sich die Ohren zu.
    »So hör mir doch endlich mit diesem Märchen auf. Kein Wort ist wahr. Wozu willst du die Erbschaftspapiere?«
    »Um einen Kredit darauf aufzunehmen. Ich brauche die dreitausend Mark. Ich habe sie damals aus der Geschäftskasse genommen, und nun muß ich sie wieder hineinbringen. Sonst bin ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher