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Die Voodoo-Witwe

Die Voodoo-Witwe

Titel: Die Voodoo-Witwe
Autoren: Jason Dark
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Das Grauen bewegte sich auf leisen Sohlen durch die prächtige Hotelhalle.
    Niemand nahm von ihm Notiz, denn wer von diesen Herrschaften interessierte sich schon für einen Pagen?
    Er durchschritt die Halle mit gemessenen Schritten. Sein Gesicht zeigte einen starren Ausdruck. Die dunkle Uniform saß wie angegossen. Der junge Mann wußte genau, wo er hinzugehen hatte. Er wollte ins Zentrum der Halle.
    Das war die Stelle unter der gewaltigen Glaskuppel. Durch dieses architektonische Meisterwerk war das Hotel weltberühmt geworden. Genau unter der Kuppel stand der große runde Tisch mit einem außergewöhnlichen Blumengebinde, das sich aus der mächtigen Vase hervorstreckte.
    Davor fand der Page noch genügend Platz, um das Silbertablett abzustellen, das er auf seinen ausgestreckten Armen getragen hatte. Was sich auf dem Tablett befand, war nicht zu sehen, weil es von einer ebenfalls aus Silber bestehenden Halbkugel verdeckt wurde. Kaum hatte der Page es abgestellt, drehte er sich, zupfte noch seine hellen Handschuhe zurecht, warf einen Blick in die Halle und stellte erfreut fest, daß ihn keiner beobachtete.
    Kurz nur lächelte er. Seine Augen leuchteten, als hätte er etwas Besonderes vor.
    Er war zufrieden, drehte sich abermals und umfaßte den Griff der Halbkugel.
    Sekundenlang zögerte er noch, dann hob er sie ab und eilte davon. Noch immer kümmerte sich niemand um ihn, auch nicht, als er die Halle wieder durchquerte und das Hotel verließ.
    Zurück blieb das Tablett. Diesmal ohne Deckel und für die Dauer ungefähr einer Minute völlig unbeachtet.
    Dann aber kam eine Frau. Weit und rüschig gekleidet, mit einem hellen Strohhut auf dem Kopf, einer bunten Brille, einen Pudel an der Leine führend.
    Eben eine typische reiche Amerikanerin, wie man sie oft auf Witzzeichnungen sah. Ihr Hund fing an zu kläffen. Lauf und böse, dabei schrill und gleichzeitig ängstlich. Es hörte sich an, als wollte jemand richtig durchhusten, ohne es allerdings zu können. Und der Hund zerrte an der Leine, deren Halsband mit funkelnden Diamanten besetzt war. Er rannte, die Frau hatte Mühe, ihn zu halten. Er zog sie hinter der Treppe in eine Kurve, auf dem glatten Boden hatte er dabei Mühe, die Balance zu halten. Sein Kläffen wurde noch wütender, und dann stand die Frau plötzlich unbeweglich.
    Vielleicht wollte sie schreien, aber das klappte nicht. Ihr Gesicht war hochrot angelaufen, der Mund stand offen.
    Es drang kein Schrei aus ihm hervor, sondern würgende Geräusche, abgehackt und keuchend.
    Sie wollte es nicht wahrhaben, sie konnte es einfach nicht fassen, aber es stimmte.
    Das war kein Trugbild.
    Da stand ein Tablett aus Silber, und auf dem Tablett sah sie den Kopf des Schwarzen, säuberlich vom Rumpf getrennt…
    ***
    Es war nicht zu fassen, es war das Grauen pur, so etwas hätte sich die Frau nicht einmal in ihren kühnsten und schrecklichsten Träumen vorstellen können.
    Sie schaute direkt auf die Augen. Sie erinnerten sie an helle Glasperlen, die jemand in die dunklen Höhlen hineingedrückt hatte. Beide Augen waren verdreht, sehr starr, das Weiße war kaum noch zu erkennen. Das dunkle Kraushaar auf dem Kopf glänzte ölig.
    Der Mund stand offen, die hellen Zähne blinkten, und die Haut sah so grau aus wie dunkle Asche.
    Die Frau konnte nicht sprechen, sie würgte noch immer. Der kleine Pudel hatte den Kopf zur Seite gedreht, er winselte erbarmungswürdig. Die Umgebung schien zu vereisen, langsam, aber sicher, und ebenso langsam löste sich die Starre bei der Frau. Das Grauen und der Schock dieses Anblicks mußten sich einfach freie Bahn verschaffen. Sie schrie. Und sie schrie wie noch nie in ihrem Leben!
    Es war ein Schrei, wie ihn die vornehmste Hotelhalle Monte Carlos noch nie zuvor erlebt hatte…
    ***
    Und der Schrei machte mobil.
    Die sehr distinguiert wirkenden Herren an der Rezeption zeigten innerhalb weniger Sekunden, wie schnell ihre Sonnenbräune verschwinden konnte.
    Sie wußten zuerst nicht, was geschehen war, aber sie sahen die Frau in der Halle, sie schauten an ihr vorbei, und dann traf sie das blanke Entsetzen.
    Sie, die in jeder Situation gelassen blieben und eigentlich nie den Überblick verloren - schließlich wohnten in ihrem Hotel die berühmtesten Gäste —, wußten nicht, wie sie reagieren sollten. Sie waren wie vor den Kopf geschlagen; die kalte Furcht nagelte sie fest. Und noch immer durchdrang der schrille Schrei der Frau die vornehme Halle. Er war so laut, daß er nicht nur hoch bis gegen die
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