Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord in der Vogelkoje

Mord in der Vogelkoje

Titel: Mord in der Vogelkoje
Autoren: Kari Köster-Lösche
Vom Netzwerk:
gleichgültig vom Leuchtturm über das Dorf am Dünenabhang und die Eisenbahnschienen jenseits des Hafenbeckens schweifen.
    Keine der Kutschen hatte bisher Hank Christensen gebracht. Vielleicht kam er mit dem Zug, der sich gerade hinter einer Biegung mit seiner Dampfpfeife ankündigte. Noch bevor die Lokomotive in Sicht kam, fiel Asmus ein Mann ins Auge, der sich seinerseits mächtig für den Zug zu interessieren schien. Etwas in seiner Haltung sagte Asmus, dass dieser Mann keinesfalls einheimisch, wahrscheinlich auch kein Deutscher war. »Sieh dir mal den Mann da drüben im karierten Anzug an«, sagte er leise. »Peil links von der Baumkurre des Krabbenkutters in der hintersten Hafenecke.«
    »Ich hab ihn«, meldete Matthiesen. »Was ist mit dem?«
    »Es könnte sein, dass er der verbliebene amerikanische Dosenliebhaber ist. Der bäuerliche, kleinere mit den roten Wangen. Der ist hinter Hank her. Womöglich sind die beiden die ganze letzte Zeit hier gewesen, um Hank zu überwachen. In einem verschwiegenen Privatquartier, als sie die Koje nicht mehr als Versteck benutzen konnten. Den kriegen wir auch noch. Solange wir die Fahrgastlinien bewachen, kann er ja nicht von Sylt fort.«
    »Aber du glaubst doch nicht etwa, dass die beiden Dres und Degenhardt erschossen haben!«
    »Nein, natürlich nicht. Aber wir brauchen die Zeugenaussage des Mannes. Vielleicht haben sie etwas in der Entenkoje beobachtet, sogar wie Degenhardt erschossen wurde.«
    Der Zug hielt, und die abreisenden Fahrgäste strömten zum Dampfer, als gelte es, als Erster einen Platz an der Reling zu erobern. Hank war nicht dabei.
    »Na ja, da habe ich mich eben im Tag geirrt«, bemerkte Asmus unbekümmert, während er registrierte, dass der Mann im karierten Anzug im Begriff war, seinen Beobachterposten aufzugeben. Aber er war nun ziemlich sicher, dass es diesem um Hank ging.
    »Der Amerikaner kann Hank ja nicht vor aller Augen erschießen«, meinte Matthiesen.
    »Wahrscheinlich vergewissert er sich nur, welchen Dampfer Hank nimmt, und telegrafiert dann in die Staaten, damit die ausrechnen, wann sie ihn in Empfang nehmen können. Aber ich nehme an, dass Hank so vorsichtig ist, die Hamburg-Amerika-Linie zu meiden.«
    Inzwischen waren die Passagiere an Bord gegangen, und die Gangway wurde eingezogen.
    In das Signal des Dampfers hinein, dass er jetzt nach Backbord ablegen werde, hörte man ratternde Kutschenräder und die anfeuernden Rufe des Kutschers. Die Seeleute an den Tauen brachen das Einholen der Gangway ab und fierten sie wieder. Dass Fahrgäste mitunter sehr spät kamen, war wohl nichts Besonderes.
    Aus der Kutsche sprang Hank, half dem Kutscher sogar, seinen festgezurrten Überseekoffer loszubinden, und eilte dann mit dem Mann auf den Fersen zur Gangway. Er stoppte abrupt, als er Matthiesen sah, der sie mit ausgebreiteten Armen blockierte.
    Asmus rief den Seeleuten zu, dass sie die Gangway einziehen sollten. Einem Offizier gegenüber, der mittlerweile herbeigeeilt war, gab er sich als Polizist zu erkennen, und dernickte in Richtung der Männer an den Tauen. Die Gangway blieb waagerecht in halber Höhe schweben.
    Asmus drehte sich zu Hank um. »Herr Christensen, Sie sind verhaftet.«
    »Hilfe, man will mich entführen!«, brüllte dieser. »Telegrafieren Sie dem amerikanischen Konsul in Hamburg.« Das galt dem Offizier, der daraufhin zum Kapitän hochblickte, der von oben herabschaute und den Kopf schüttelte.
    »Der kann Ihnen jetzt nicht helfen, Herr Christensen«, sagte Asmus.
    »Und weswegen?«, fuhr Hank ihn an. »Ich habe mit den Morden nichts zu tun!«
    »Wegen Hehlerei von Baumaterial vom Wattenmeer-Damm und wegen des Diebstahls eines Motorrads. Wir beschlagnahmen außerdem Ihren Überseekoffer.«
    »Da ist bestimmt kein Baumaterial drin!«, geiferte Hank.
    Asmus grinste freudlos. Natürlich hatte Hank den Diebstahl angeordnet, auch wenn Petersen den Schlüssel zum Bauhof besorgt und Dres den Leiterwagen gelenkt hatte.
    »Nein, aber möglicherweise andere interessante Dinge. Baupläne für die Fabrik zum Beispiel. Alte Korrespondenz mit Ihrem Vetter in Wyk über dessen alkoholische Entendosen. Ich vermute, er hat Sie gewarnt, weil dieser Trick dem amerikanischen Zoll schon bekannt ist. Ihm konnte man nicht beikommen, bei Ihnen ist das anders.«
    Hank schnaubte verächtlich. »Der Zoll!«
    Das Ungetüm von Koffer war nicht verschlossen. Unter den Augen sämtlicher neugieriger Passagiere, die mittlerweile aufgereiht wie Perlen an der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher