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Mord in der Vogelkoje

Mord in der Vogelkoje

Titel: Mord in der Vogelkoje
Autoren: Kari Köster-Lösche
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wir hier sind.«
    »Es ist ja eine Riesenanlage«, sagte Asmus und ließ seinen Blick über den Teich und den angrenzenden Wald wandern.
    Neben sich sah Asmus eine Art trockenen Graben, aber Ose zog ihn weiter. »Das zeige ich dir später«, meinte sie.
    »Auf dem See könnte man segeln. Mit einer kleinen Jolle.«
    »Untersteh dich.«
    Asmus grinste.
    »Das Problem wird sein, den zukünftigen Verwalter zu bezahlen, vorausgesetzt, wir schaffen es, die Koje zum Naturschutzgebiet erklären zu lassen.« Ose krauste sorgenvoll die Stirn. »Der Kojenmann hatte das ganze Jahr zu tun, auch außerhalb der Fangzeiten zwischen August und Oktober.«
    »Preußen wird nichts erübrigen können …«
    »Für solchen Tand, meinst du  … Ja, das ist wahr.« Ose seufzte wieder. »Wir werden uns nach jemandem umsehen müssen, der Erfahrung in Waldarbeit hat. Kartoffeln kann er auf dem zur Koje gehörenden Gelände anbauen wie früher der Kojenmann und den Überschuss verkaufen, ebenso wie das Reet, das er ernten darf. Wenn er dazu noch fischt, wird  es für ihn allein reichen, bis die Zeiten wieder besser sind.«
    Asmus nickte nur. Im Augenblick sah es nicht danach aus, dass die Zeiten sich jemals ändern würden: Die galoppierende Inflation traf jeden, die Arbeitslosigkeit nahm auch auf Sylt zu, im deutschen Kaiserreich hatte es mehrere Putschversuche und Separationsbewegungen einzelner Länder gegeben, und die Reichskanzler gaben einander die Klinke in die Hand. Nichts war beständig.
    Das Wäldchen lichtete sich und endete an einem Deich, den sie hochstiegen, nachdem sie über zwei Gräben gesprungen waren, in denen Wasser stand. »Die Klappe ist jetzt geschlossen, weil wir Hochwasser haben«, erklärte Ose. »Bei Niedrigwasser fließt das überschüssige Teichwasser in die See. Gespeist wird der Teich von Quellen.«
    Unmittelbar unterhalb der Deichkrone liefen träge Wellen auf einem Sandstreifen aus. Am Horizont lag das Festland im Dunst. »Na, so was«, wunderte sich Asmus. »Die Koje so nah am Meer.«
    »Ja, das ist ungewöhnlich. Aber die Enten fliegen diese Koje genau deshalb so gern an  – die Futterplätze sind jagleich in der Nachbarschaft. Der Seedeich hat den Bau natürlich teurer gemacht als jede andere Entenkoje.«
    »Aber das war es den Eignern offenbar wert. Übrigens glaube ich, dass Schlechtwetter aufzieht.«
    »Dann lass uns zum Teich zurückgehen, Nis. Ich zeige dir die Pfeifen, die das Kernstück der Fängerei bilden.«
    Der Teil der Anlage, den Asmus für einen Graben gehalten hatte und der die Pfeife hieß, begann in einer Ecke des Teichs. Zunächst breit, verschmälerte er sich und verschwand hinter einer Krümmung. Geduckt folgten sie dem Pfad neben der Pfeife.
    »Wenn die Wildenten erst einmal auf dem Teich gelandet sind, lockt der Kojenmann seine zahmen Tiere in diesen Graben, der im Herbst natürlich Wasser führt. Die Wildenten folgen ihnen, ohne sich bewusst zu sein, dass die Pfeife mit Netzen abgedeckt ist, so dass kein Vogel auffliegen kann.«
    »Und die Lockenten?«
    »Die haben ein Schlupfloch, durch das sie die Pfeife verlassen können, während der Kojenmann, der sich bis dahin hinter Stellwänden aus Reetgeflecht verbirgt, sich plötzlich zeigt und die Wildenten dadurch zum Ende der Pfeife treibt. Dort befindet sich eine Reuse.«
    »In der die Enten feststecken«, ergänzte Asmus.
    »Ja. Der Kojenmann greift sie sich einzeln heraus und ringelt sie. Will heißen, er packt sie am Kopf und lässt den Körper rotieren. Die Wirbelsäule knackt dann und bricht … Neben der Reuse steht ein Fass für die getöteten Tiere.«
    »Alle Schlachttiere werden wohl auf mehr oder minder grausame Weise getötet«, sagte Asmus nach einer Weile wie zum Trost.
    »Beim Ringeln tritt der Tod wenigstens schnell ein. Von sechs- bis siebentausend Enten an einem guten Fangabend.« Ose schüttelte es.
    Asmus zog Ose sanft auf den Pfad zurück. Deprimierende Gedanken blieben bei solchen Zahlen nicht aus. »Deshalb haben sie die Koje ja nun geschlossen.«
    »Nein, keineswegs«, begehrte Ose auf. »Mit Tierschutz oder Vernunft hat das nichts zu tun. Es fliegen immer weniger Enten die Kampener Koje an, heißt es. Der Fang lohnt den Aufwand nicht mehr. Die Eidumer Koje hier auf Sylt wird weiter betrieben. Auch auf Amrum und Föhr fangen sie weiterhin, dort haben die Bestände nicht abgenommen.«
    »Und warum nehmen sie ab?«
    »Das weiß man nicht. Es könnte sein, dass es den Enten zu laut und wirbelig in der Gegend
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