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Darkyn: Blindes Verlangen (German Edition)

Darkyn: Blindes Verlangen (German Edition)

Titel: Darkyn: Blindes Verlangen (German Edition)
Autoren: Lynn Viehl
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    1
    Immer weiter.
    Nicole Jefferson lag zusammengrollt auf dem schmalen, unebenen Bett des Motels und bewegte im Schlaf die Augen unruhig unter den geschlossenen Lidern. Ein schwarzer Shoei-Motorradhelm mit einem rauchgrauen Visier hing am Riemen an einem Messingknauf des Bettrahmens und wirkte im Dunklen wie der abgeschlagene Kopf eines Außerirdischen.
    Auf dem kleinen Tisch in der Zimmerecke stand ihr Laptop und summte mit schwarzem Bildschirm vor sich hin, während er seinen täglichen Virenscan durchführte. Ein zerschrammter, abgestoßener Baseballschläger stand aufrecht an die Matratze gelehnt, ein paar Zentimeter von Nicks rechter Hand entfernt.
    Nick schlief nie weit von dem Schläger entfernt.
    Vor sehr langer Zeit, als es noch einfacher gewesen war, auf dieser Welt zu leben, hatte Nick mit dem Lötkolben ihres Stiefvaters ihren Namen in das Holz des Schlägers gebrannt. Sie konnte es nicht ertragen, die letzte Verbindung zu ihrer Vergangenheit zu kappen, zu diesen langen Sommerabenden, an denen Malcom den Fernseher ausgeschaltet und ihr den richtigen Schlägerschwung beigebracht hatte. Seit sie aus England weggegangen war, hatte Nick den Schläger jeden Abend mit Schmirgelpapier abgerieben, bis die kindlichen, weit geschwungenen Buchstaben zu feinem sandigen Staub geworden waren.
    Schade nur, dass Nick das nicht auch mit ihren Erinnerungen tun konnte.
    Nick schlief nicht gern, hatte auch kein Bedürfnis danach. Wie andere Notwendigkeiten vermied sie das Schlafen, sooft sie es wagte. Schlaf war ein Boxenstopp, einer, den ihr Körper dringend brauchte, aber sie verschwendete damit nur wertvolle Zeit. Nur drei oder vier Stunden pro Tag konnte sie dafür erübrigen.
    Immer wachsam .
    Sie musste weiterkommen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, und ihre Suche fortsetzen. Sie hatte sich in einige regionale Polizeicomputer reingehackt und ein paar brauchbare Hinweise gestohlen, die sie überprüfen würde. Jede Minute, in der sie sich nicht bewegte, war eine, in der es an ihre Tür klopfen konnte. Dann würde die Polizei höflich nach ihrem Pass fragen, und dann würde sie das kalte Metall der Handschellen spüren. Wenn sie ihren Computer beschlagnahmten, würden sie sich hineinhacken und herausfinden, wer sie war und was sie getan hatte. Sie würden sie ins Gefängnis werfen, und dann war die Jagd vorbei.
    Sie konnte jetzt nicht aufhören. Sie war so nah dran, die Goldene Madonna zu finden. Sie konnte es spüren.
    Nie erinnern.
    Nick wusste, dass sie träumte, aber sie spürte keine Angst. Sie konnte sofort aufwachen, wenn sie es wollte, ganz egal, wie tief sie schlief oder wie beängstigend ihr Traum wurde. Selbst die schlimmsten ihrer Träume waren nichts im Vergleich zu den realen Albträumen da draußen im kalten, erbarmungslosen Sonnenlicht: den Bullen, den Dieben, den Freaks, den Monstern und diesem kaltblütigen Verrückten, der täglich Tausende zu Tode erschreckte: der europäische Taxifahrer.
    Nicht, dass der Traum, den Nick gerade träumte, wirklich ein Albtraum gewesen wäre. Das wurde er erst am Ende.
    Der Traum fing so an wie immer: Nick ging allein durch den Wald auf etwas zu. Was es war, wusste sie nicht. Und auch den Grund kannte sie nicht. Doch was es auch war, es zog sie an wie der Duft von Creme Chantilly in hauchdünnem, goldbraunem Blätterteig.
    Nick ging durch den Wald, umrundete dabei hin und wieder dicke Baumstämme, und weiche Nadeln streiften ihre Arme und Beine. Ihre Schritte zerstörten den Teppich aus alten Blättern und neuem Moos und schreckten zahllose blaue Schmetterlinge auf, die sich dort versteckten und nun davonflatterten.
    Die Strahlen der untergehenden Sonne, die am von Bäumen gesäumten, rosaroten Himmel stand, versteckten sich immer wieder erfolglos vor Nick. Sie wich einem tellergroßen Spinnennetz aus und blieb einen Moment stehen, um die schwarz-gelb gestreifte Weberin zu bewundern. Die Spinne hob zwei Beine und winkelte sie an, lockte oder winkte, Nick war sich da nicht sicher.
    Sie mochte die Natur. Waldspaziergänge waren okay für sie. Dank ihres Stiefvaters, der sie wie den Sohn behandelt hatte, den er und ihre Mutter niemals bekamen, stellte Nick sich nicht an, wenn es um Insekten ging. Und so merkwürdig der Kerl auch war, von dem sie wusste, dass sie ihn auf dem Weg zu jenem unbekannten Ort treffen würde, er brauchte sie. Wofür wusste sie nicht, aber es fühlte sich gut an, so wichtig für jemanden zu sein.
    Immer weiter.
    Die Kiefern und Tannen wurden
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