Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord in der Vogelkoje

Mord in der Vogelkoje

Titel: Mord in der Vogelkoje
Autoren: Kari Köster-Lösche
Vom Netzwerk:
wird. Wir haben mal ein altes Schild gefunden, auf dem stand, dass in der Fangzeit das Schießen im Umkreis von einer Viertelmeile verboten ist und dass man auch die Dünen in der Nähe nicht besteigen darf. Sie haben schon vor fünfzig Jahren gewusst, dass Enten, die sich gestört fühlen, ausbleiben. Eine andere Erklärung wäre, dass die Enten aus unbekannten Gründen die Flugroute geändert haben. Womöglich fehlt ihnen unterwegs das Futter.«
    Wasserläufe änderten auch von Jahr zu Jahr ihre Strömung, und mit ihnen kamen oder gingen Fischarten, wovon die Fischer ein Lied singen konnten. Dasselbe fand bei den Wasserpflanzen statt. Insofern fand Asmus es auch bei Vögeln nicht verwunderlich. Vielleicht gab es sogar einen Zusammenhang zwischen den Strömungen und den Enten, die wegen ihres Futters die Nähe des Wassers benötigten.
    Ose atmete durch und schüttelte ihr Unbehagen ab. Um die getöteten Enten, um eine vergangene Kultur. Asmus ahnte so ungefähr, was sie gerade dachte, und drückte sie an sich.
    Ose schmunzelte. »Schon gut. Ich zeige dir das Ende der Pfeife. Damit hast du das Wesentliche gesehen, die anderen drei sparen wir uns. Wir kommen danach noch zum Hausdes Kojenmanns und zur Futterstelle der Lockenten, der Tammkuhle.«
    »Ist mir recht.« Die Stille im Wald hatte sich gewissermaßen verflüchtigt, nachdem Asmus nicht mehr auf Entenquaken gewartet hatte, und war dem leisen Gesang und dem Piepsen einzelner Vögel sowie dem Knacken der trockenen Äste unter ihren Schuhen gewichen. Er fühlte sich hier allmählich wohl, so wie er auf seinem Boot die Stille der See mochte, wenn ausnahmsweise kein Wind ging. Das Kribbeln in seinem Nacken ignorierte er.

    »Welche Pfeife von den vieren benutzt wurde, hat mit der Windrichtung zu tun, oder?«, vermutete Asmus, nachdem er sich den Sinn der Anordnung überlegt hatte.
    »Richtig. Der Kojenmann musste sich immer gegen den Wind bewegen, damit die Enten ihn nicht rochen. Zur Sicherheit trug er in den Fangmonaten schwelenden Torf in einem tragbaren Räuchergefäß mit sich. Damit wurde jeder Geruch nach Mensch überdeckt.«
    »Welch ausgeklügeltes System«, stellte Asmus beeindruckt fest.
    »Ja. Holländische Erfindung. In der Hütte da vorn lebten die zahmen Enten, die Lockenten.« Ose zeigte auf das kleine Häuschen neben dem Haus des Kojenmanns.
    »Richtig zahm?«
    »Nein. Der Kojenmann richtete jedes Jahr neue ab und gewöhnte sie einfach daran, dass ihnen Futter hingestreut wurde. Aber vor allem kupierte er ihnen die Handschwingen. Sie konnten gar nicht ins Watt fliegen, um sich Futter zu holen. Ich denke, dass sie hungerten und dem Kojenmann deshalb so willig folgten. Er streute ihnen Futtergerste hin, die natürlich auch gekauft werden musste.«
    Oje. Asmus fand, dass er sich in nächster Zeit vielleichtdoch hauptsächlich von Austern und Miesmuscheln ernähren sollte. Auch Aale und Plattfische zu töten war ein blutiges Handwerk, das er nicht sonderlich mochte.
    Das Ende der Pfeife lag hinter der Krümmung, kurz davor die Tammkuhle. Dahinter erhob sich das Haus des Kojenmanns, in dem er im Herbst und im Winter gewohnt hatte.
    Asmus krauste die Nase und schnüffelte. »Verliert der Kojenmann auch mal getötete Enten?«
    »Nein«, sagte Ose. »Manche haben zwar einen Jagdhund dabei, aber der von Kampen hatte das nie.«
    »Warum riecht es dann hier nach Verwesung?«
    »Den Geruch habe ich auch in der Nase. Du hältst das für Verwesung?«, fragte Ose erstaunt.
    »Eindeutig.«
    »Da die Brücke zur Koje nicht hochgezogen ist, kann es ja auch ein Hund sein, der angeschossen wurde und sich hier verkrochen hat, um zu sterben. Oder eine tote Krähe oder ein Habicht. Die folgen den Enten.«
    »Oder, oder … Komm, Ose! Wir sehen nach.« Auf einmal war Asmus der Tonangebende. Er wühlte sich entschlossen durch das Gestrüpp neben dem Graben. Das Ende der Pfeife kam in Sicht. Plötzlich stoppte Asmus.
    Im schmalsten Teil der Pfeife stachen zwei Schuhsohlen parallel in den Himmel.

K APITEL 2
    »Du lieber Himmel«, keuchte Ose, die an Asmus vorbei zum Grabenende blickte.
    Asmus war mit drei Schritten dort. Eine männliche Leiche, die schon einige Tage dort lag. Der Hals war angenagtoder angepickt, aber sonst schien sie weitgehend unversehrt. Abgesehen von einem kleinen roten Fleck auf einem einst weißen Hemd in Höhe des Herzens. Überhaupt: Die Kleidung! Was machte ein Mann – besser würde man ihn wohl aufgrund seiner dunklen Jacke über der gestreiften
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher