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Mord in der Vogelkoje

Mord in der Vogelkoje

Titel: Mord in der Vogelkoje
Autoren: Kari Köster-Lösche
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Hose als Herrn ansprechen – in der Wildnis einer aufgegebenen Vogelkoje? Ein schwarzer Hut lag neben ihm.
    »Musst du ihn wirklich anfassen?«, stammelte Ose, als Asmus den Leichnam an den Schultern packte und vorsichtig so weit aufrichtete, dass er den Rücken inspizieren konnte.
    »Ja, muss ich. Erschossen«, stellte Asmus lakonisch fest. »Von hinten.«
    »Wie scheußlich!«
    »Von vorn wäre er genauso tot. Der Schütze hat nur eine Kugel benötigt. Sehr treffsicher. Oder sehr nah.«
    »Was machen wir denn jetzt?«
    Asmus ließ den Leichnam wieder in seine ursprüngliche Lage zurücksinken und sah auf. Ose zitterte.
    »Meine Dienststelle benachrichtigen. Aber du kannst nicht allein hierbleiben, und allein nach Kampen solltest du auch nicht gehen müssen. Ich hoffe, dort hat jemand einen Fernsprecher.«
    Ose nickte. »Im Haus von Ferdinand Avenarius ist einer.«
    Herr Avenarius, der sich so für die Erhaltung der Sylter Natur eingesetzt hatte, war zwar vor kurzem gestorben, aber den Luxus eines vorhandenen Fernsprechers gab man als Nachfolger schließlich nicht auf, wenn man ein Haus kaufte. Sofern es überhaupt verkauft worden war. »Man kann die Brücke zur Koje hochziehen, sagtest du? Dann machen wir das, damit Unbefugten klar ist, dass das Gelände nicht betreten werden soll, und fahren zusammen nach Kampen. Du bleibst im Haus des Künstlers, ich komme zurück und mache mich an die Arbeit.«
    »Nein«, sagte Ose, plötzlich so energisch, wie sie immer zu sein pflegte. »Ich komme wieder mit zurück. Schonung will ich nicht, was denkst du denn von mir! Und inzwischen habe ich mich schon an den Verwesungsgestank gewöhnt.«

    Ose musste sich in Avenarius’ Haus nicht lange erklären. Sie wusste, wo der Fernsprecher hing, und der neue Hausherr verschwand außer Sicht, ohne dass Asmus auch nur ein Wort mit ihm gewechselt hatte.
    Hauptwachtmeister Gustav Sinkwitz war über Asmus’ Meldung alles andere als begeistert. Er verabscheute die Komplikationen, über die sein Untergebener ständig zu stolpern schien. Andererseits stand fest, dass die Westerländer Polizeiwache sich seit Asmus’ Versetzung nach Sylt keine Hilfe von außen holen musste, wenn es um gewaltsame Todesfälle ging, was Sinkwitz wiederum entgegenkam. Er versprach sogar, den Kollegen Lorns Matthiesen zur Hilfestellung sofort loszuschicken.
    Asmus war erleichtert. In seiner Anfangszeit auf Sylt hatte Sinkwitz ihm ständig Steine zwischen die Füße geworfen, weil ihm ein strafversetzter Kriminalinspektor in seiner Mannschaft von Schutzpolizisten nicht passte. Aber ihr Verhältnis hatte sich seitdem ein wenig gebessert.
    »Merkwürdig!« Ose schüttelte verwundert den Kopf, als sie nach dem Telefonat zu Asmus’ Motorrad zurückgingen, um sich auf den Rückweg zur Entenkoje zu machen.
    »Was ist merkwürdig?«
    »Als wir heute früh die Koje betreten hatten, hast du dich über die Stille gewundert, die für mich ganz normal war. Du hast sogar von einem Grab gesprochen. Als hättest du geahnt, was uns bevorsteht.«
    »Das ist vielleicht doch etwas übertrieben, Ose. Ich hatteeinfach nur Quaken und Geschnatter erwartet«, versetzte Asmus ablehnend.
    »Das ist deine rationale Erklärung. Glaube ich nicht. Das ist Instinkt. Der hat dir bestimmt schon öfter genutzt.«
    »Du hältst mich für eine Art Hund?«
    »Im Hinblick auf deine effektive Nase schon. Vielleicht könnte man sie auch mit dem Riechvermögen von Enten vergleichen. Viele Leute lehnen das zwar ab, aber jeder Kojenmann arbeitet damit. Denk an den Torf, den er verbrennen muss. Ohne genaue Kenntnis über die Tiere wäre er ein lausiger Entenfänger.«
    »Tatsächlich! Gut, dann betrachte ich mich jetzt mit Stolz als eine Art Erpel, nur nicht so bunt. Halt dich fest, wir fahren los.« Asmus spürte, wie Ose an seiner Schulter vor Lachen bebte. Zum Glück hatte sie ihren Schrecken überwunden.

    Wegen ihrer Unterhaltung verpasste Asmus den direkten Weg zur Straße nach Norden. Auf einmal befanden sie sich auf einer einsamen Sandpiste, die auf einer Düne mit dichtem Heidebewuchs endete. Unterhalb der Düne erstreckte sich ein Schilfgürtel, und dahinter flimmerte die See.
    »Sieh mal«, rief Ose Asmus ins Ohr. »Dort wird anscheinend in größerem Stil gebaut!«
    Asmus wendete schlitternd in einem Bogen und stellte den Motor aus. So eilig hatte er es wiederum nicht, zu einer Leiche zurückzukehren. Oses Finger wies auf das Nordostende der Düne, wo am äußersten Rand der Kampener
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