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Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman

Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman

Titel: Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman
Autoren: emons Verlag
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kehlige Laute ausstoßen. Dabei klingt unsere Sprache sehr weich und wohllautend.«
    Der Verdächtige hatte sich ein Stück weit geöffnet, und Otto wollte die Gelegenheit nutzen, um das Gespräch auf den Fall zu lenken. »Ihre Bekanntschaft mit dem Opfer lässt sich dadurch erklären«, sagte er, »dass Salomon Hirsch dem Organisationskomitee für die Berliner Gewerbeausstellung angehörte und bei Ihnen vorbeigeschaut hat, um sich nach dem Rechten zu erkundigen. Verhielt es sich so?«
    »Das habe ich dem Commissarius bereits gesagt«, erwiderte Wilhelm Maharero. Obwohl er die Augen kritisch zusammenkniff, blieb er auf der vorderen Stuhlkante sitzen. »Wir haben uns nicht gestritten. Ganz im Gegenteil. Ich mochte Salomon Hirsch. Er war ein sehr kluger und interessierter Mann.«
    »Außerdem wurde bei dem Opfer ein blutverschmiertes silbernes Zigarrenetui mit folgender Aufschrift gefunden: ›Für meinen Herrn und Gebieter, den Hereroprinzen Wilhelm Maharero. In demütigster Verehrung, Benediktine Wolf‹. Ist das Ihr Zigarrenetui?«
    »Was heißt schon mein Zigarrenetui? Seitdem ich in Berlin bin, bekomme ich ständig Geschenke, Liebesbriefe und Postkarten von Frauen zugesandt, die mich ›schwarzer Gott‹ oder ›dunkler Adonis‹ nennen. Sie schwören mir ewige Liebe und wollen mich nach Afrika begleiten. Ich kann nicht sagen, dass ich es darauf anlege, von weißen Frauen angeschmachtet zu werden, aber es missfällt mir auch nicht. Mir wurde schon mehrmals erklärt, dass uns Afrikanern etwas Wildes anhaften würde. Dadurch würde die Phantasie der deutschen Frauen angeregt werden. Dieses Phänomen wurde bereits bei den Völkerschauen von Carl Hagenbeck beobachtet. Was mir aber gar nicht gefällt, ist, wie die Presse damit umgeht. Haben Sie mal einen Artikel in diesem Hetzblatt gelesen?«
    »Nein!«
    »Der Redakteur warf den Frauen und Mädchen ›mangelndes Rassebewusstsein‹, ›Würdelosigkeit‹ und ›dunkle, unsittliche Neigungen‹ vor, die eine Schande für das deutsche Volk darstellen würden. Er drohte damit, die Namen der Frauen und Mädchen herauszufinden und sie in seinem Schmierblatt an den Pranger zu stellen, wenn ihre Begeisterung nicht abflauen würde. Wahrscheinlich sind diese Frauen nur einer kurzfristigen Schwärmerei erlegen, die sich genauso schnell wieder verflüchtigt, wie sie aufgeflammt ist. Man muss sie vor diesem radikalen Redakteur schützen.«
    Wilhelm Maharero hatte zum ersten Mal eine starke gefühlsmäßige Reaktion gezeigt. Bei der Erwähnung des Redakteurs hatte er die Faust geballt, als wäre er zu einem Kampf bereit. »Und das tun Sie gerade?«, fragte Otto. »Frauen vor diesem Schmierfinken schützen?«
    Sofort rückte Wilhelm Maharero auf der Stuhllehne zurück. Er schloss seine Lippen zu einem schmalen, dünnen Strich. Sein Verhalten war so beredt, dass es nur noch einer einzigen Frage bedurfte. Zunächst wollte Otto jedoch eine vertrauensbildende Maßnahme vorausschicken, der sich keiner der missionierten Hereros entziehen konnte.
    »Sicher sind die Glaubensdinge in den vergangenen Tagen etwas zu kurz gekommen«, sagte er. »Wäre es Ihnen recht, Herr Maharero, wenn wir gemeinsam das Vaterunser in Ihrer Muttersprache aufsagen würden?«
    Wilhelm Mahareros Augen wurden groß. Er schaute verlegen drein, als er erwiderte: »Gerne.«
    »Moses«, sagte Otto. »Es wäre schön, wenn du dich an unserem Gebet beteiligen würdest.«
    »Natürlich«, erwiderte sein Leibdiener.
    Die drei Männer falteten ihre Hände, senkten ihre Blicke und sprachen: » Tate jetu, ngu u ri momajuru. Ena roye ngari japurue. Ouhona uoje ngau je. Ombango joje ngai tjitue na kombanda jehi otja mejuru  … Amen.«
    »Als ich Gast in Ihrem Land war«, sagte Otto, »haben sich viele Ihrer Stammesbrüder um mich gekümmert. Bitte erlauben Sie mir nun, mich zu revanchieren, indem ich Ihr Alibi überprüfe. Ich schwöre beim Namen unseres Vaters im Himmel, dass ich alle Informationen, die Sie mir geben werden, mit größter Diskretion behandele. Nichts wird an die Journaille durchsickern. Sie brauchen mir keine intimen Details zu nennen. Sie brauchen mir nur den Namen der Dame zu sagen, bei der Sie in der Tatnacht gewesen sind.«
    »Woher wissen Sie, dass ich bei einer Frau war?«, fragte Wilhelm Maharero.
    »Ich weiß es nicht, ich vermute es.«
    »Seitdem ich in Berlin bin, ist sie zusammen mit Salomon Hirsch die Einzige gewesen, die in mir weder einen Buschkannibalen noch einen schwarzen Gott gesehen hat.
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