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Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman

Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman

Titel: Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman
Autoren: emons Verlag
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Trampelpfad, zwischen Schlingpflanzen, knorrigem Geäst und fauligen Tümpeln, zurück zu seiner Behausung. In einiger Entfernung galoppierte ein Aguti, ein schlankes Nagetier mit bräunlichem Fell, durch die Sträucher. Die Sonne tauchte hinter den schwankenden Baumwipfeln unter und sandte ihr Abendlicht aus, das in den Pfützen wie flüssiges Gold funkelte. Vorbei an den Orangenbäumen erreichte er die brusthohe Umzäunung, die er rings um sein Haus, den Geräteschuppen, den Hühnerstall und das Coral errichtet hatte, um sein Hab und Gut vor wilden Tieren zu schützen. Er trat durch das offene Tor und ging über den Hof.
    Die schlanke, groß gewachsene Indianerin stand vor dem Blockhaus. Ihr schneeweißes Hemd war bis zum Nabel aufgeknöpft, sodass ihre Brüste und der flache Bauch entblößt waren. Noch nie hatte er so viel nacktes Fleisch bei einem Weib gesehen, und sosehr er sich gegen seine Gefühle auch wehrte, erregte ihn ihr Anblick. In Försterrode wusste jeder, dass sie nicht ganz richtig im Kopf war, und auch jetzt blickte sie durch ihn hindurch, als wäre er gar nicht da. In einem ewig gleichen Singsang rief sie: »Wo bist du? Komm zu mir. Ich will dir etwas sagen. … Wo bist du? Komm zu mir …«
    Erst als drei Männer aus dem Blockhaus traten, verstummte die Indianerin. Das ganze Gesindel der Kolonie hatte sich eingefunden: der Wortführer Koslowski, der an der Stelle, wo sich die beiden Flüsse Aguaray-guazú und Aguaray-mi vereinten, das Auswandererhaus betrieb und den Neuankömmlingen die letzten Ersparnisse aus der Tasche leierte. Sein erster Mann Schmitz, ein brutaler Sachse, der in Försterrode die Gastwirtschaft »Zum deutschen Kaiser« führte und Zuckerrohrschnaps brannte. Und Riemenschneider, ein Hamburger Bonvivant mit Fistelstimme, der in Deutschland angeblich als Kunstmaler gearbeitet hatte und die Junggesellen der Kolonie mit Huren aus San Pedro versorgte.
    »Na also«, sagte Koslowski und schob seinen ausgefransten breitkrempigen Strohhut aus der Stirn. Vom starken Zigarrenrauchen hatte sich sein Schnurrbart gelblich verfärbt. Unter seinem speckigen Lederwams trug er einen breiten Gürtel, von dem ein Trommelrevolver und ein langes Hirschmesser zum Ausweiden baumelten. »Du kannst von Glück reden, dass du von alleine gekommen bist.«
    »Ich … ich«, stammelte er und suchte nach den richtigen Worten. »Ich wollte euch bei der Versammlung klarmachen, dass ihr vom rechten Weg abgekommen seid. Das müsst ihr doch verstehen.«
    »Ist ihm das gelungen?«, fragte Koslowski.
    Als Antwort spuckte Schmitz aus.
    »Seht ihr denn nicht«, fuhr er schnell fort, »welche einzigartige Chance sich uns bietet. Wir können ein reinrassiges und moralisch hochstehendes Germanien erschaffen. Aus diesem Grund sind wir doch hergekommen.«
    »Was dich in die Wildnis getrieben hat«, erwiderte Koslowski, »interessiert mich nicht, aber ich bin den Lockrufen von Förster gefolgt, der Paraguay in den ›Südamerikanischen Colonial-Nachrichten‹ als Schlaraffenland angepriesen hat. Und jetzt schau dich mal um. Sieht so ein Land aus, in dem Milch und Honig fließen? Förster war ein Lügner, und es ist gut, dass er keinen Schaden mehr anrichten –«
    »Du bist das Lügenmaul«, stieß er heftig keuchend hervor. »Wie kannst du es wagen, sein Ansehen zu beschmutzen? Er war ein großer Visionär, der euch allen himmelhoch überlegen war. Warum seid ihr überhaupt hier? Ich will, dass ihr meinen Grund und Boden verlasst. Sofort.«
    »Keine Sorge«, erwiderte Koslowski. »Wir werden schon noch gehen, aber nicht, bevor wir unseren Spaß gehabt haben. Ist es nicht so, Männer?«
    Riemenschneider verzog seine Lippen zu einem anzüglichen Grinsen.
    »Heute ist dein Glückstag«, sagte Koslowski. »Heute kannst du so viel pimpern, wie du willst.«
    Er starrte die Indianerin an. Darauf lief es also hinaus. Sie wollten ihm keine körperliche Gewalt antun, sondern ihn moralisch zerbrechen.
    »Nun seht euch das an«, sagte Koslowski. »Ich glaube, er fängt an zu heulen.«
    »Hau ihm mal in die Fresse«, rief Schmitz. »Das wird ihn kurieren.«
    »Schau dir unsere Raquel doch mal an«, sagte Koslowski. »Ist sie nicht ein Leckerbissen? Und das Beste ist, dass sie vom Pimpern nicht genug bekommt. Guck mal!« Er steckte seine Hand unter ihren Rock. Sofort stöhnte sie heiser auf und stieß mit dem Unterkörper vor und zurück. In ihre Augen trat ein seltsamer Glanz. »Ich bin mir sicher, dass ihr euch prächtig verstehen
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