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Mord am Millionenhügel

Mord am Millionenhügel

Titel: Mord am Millionenhügel
Autoren: Gisbert Haefs
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bin‹ – immerhin, er weiß es – ›hätte ich sie normalerweise auf den Kühlschrank oder in ein Bücherregal gelegt. Sie steht aber im Zahnbecher. Das heißt, siehe Hose in Falten, ich war breit wie eine Flunder, als ich sie angeschleppt habe. Wo bin ich gestern abend gewesen? An einige Kneipen erinnere ich mich, an andere nicht. Ich nehme aber an, daß da, wo in meiner Erinnerung ein Loch ist, gestern abend noch ein paar Kneipen waren. Aber in welcher Bonner Kneipe kriegt man nach Mitternacht Zahnbürsten? Muß ein merkwürdiges Lokal sein.‹
    Die Uhr zeigte kurz nach eins, als Matzbach soweit gediehen war. Er wußte, daß es nun sinnlos war, etwas zu unternehmen, da alle Leute, an deren Anwesenheit in der einen oder anderen Kneipe er sich erinnern konnte, tagsüber arbeiteten. (Beamte gehören nicht zu seinem Freundeskreis.) Also verschob er weitere Nachforschungen auf den Abend und begab sich an seinen Schreibtisch.
    Die Frage, was er an seinem Schreibtisch tat, steht in Zusammenhang mit einigen anderen Fragen, die ich ebensowenig beantworten kann. Nämlich, um nur die vorlautesten zu nennen: Wer ist Baltasar Matzbach, was treibt er, was treibt ihn, woher kommt er, wovon lebt er, und so weiter. Baltasar ist in erster Linie fett; manchmal habe ich den weitergehenden Verdacht, daß er an Elephantiasis der Seele leidet, aber diese Vermutung ist so ungeheuerlich, daß man sie ignorieren kann. Er wurde 1939 geboren, wuchs nach dem Bombentod seiner Eltern bei Großeltern auf, war ein helles Kerlchen und studierte Philosophie und Atomphysik. Mit ungefähr 25 Jahren machte er eine Erfindung und entwickelte ein Patent für etwas an einem Betatron, das so kompliziert ist, daß er es selbst nicht mehr erklären kann. Hauptsache ist aber, daß diese Erfindung verwendet wird und ihm immer noch nette Tantiemen einbringt. Anschließend komponierte er eine Weile vor sich hin und zeugte einen Evergreen, einen absolut blödsinnigen Schlager, der aber auch noch immer läuft und Penunze zeitigt. Nachdem seine Finanzen so auf einigermaßen sicheren Füßen standen, gewann er auch noch im Lotto und ergab sich der sinnlosen Bildung. So stammt aus seiner Feder ein in Fachkreisen geschätztes Büchlein über
Monotheistische Strömungen des inselkeltischen Druidentums
. Dann hielt er sich eine Weile an der bretonischen Küste auf, bevor sie von der Völkerwanderung des Tourismus verwüstet wurde, als Mäzen und Manager junger Künstler, Veruntreuer von frühen Touristinnen und Privatdozent gegen Okkultismus. Dabei verfaßte er zwei weitere Bücher:
Schamanistische Einflüsse in die Analekten des Konfuzius
und
Sexualpathologische Aspekte der Psychokinese
. Im Lauf der Jahre betrieb er noch viele weitere unsinnige Dinge, die ihm aber ausnahmslos zu Gold gerannen. Ich erinnere mich, daß ich ihm im August 1979 heftig davon abriet, eine knapp sechsstellige Summe in Gold zu investieren. Als er auf dem Höhepunkt des Booms im Frühjahr 1980 wieder verkaufte, lud er mich für die guten Ratschläge zu einer Currywurst mit Fritten ein.
    Außerdem betreut er seit Jahren die wöchentliche Kolumne ›Fragen Sie Frau Griseldis‹ einer großen Illustrierten. Abgesehen davon, daß dieser Kummerkasten gut dotiert ist, ist Matzbach natürlich infolge seiner umfassenden Bildung bestens für Ratschläge in Lebens- und Herzensfragen geeignet und stockt seine Bildung im Verlauf dieser Tätigkeit weiter auf; sein Schatz an abenteuerlich verquasten Anekdoten und Problemstellungen reicht aus, ganze UNO-Sitzungsperioden zu überbrücken, ohne etwas zu versäumen.
    An diesem Nachmittag befaßte er sich mit nämlicher Kummerpost. Dabei lachte er mehrmals so herzlich, daß er die Zahnbürste für eine Weile vergaß. (Ich fragte ihn abends, als er sich auf meinem Teppich lümmelte, ob ihm im Verlauf des Tages, nach Abklingen des Katers, nie die Absurdität seines Problems aufgegangen sei; er wies das weit von sich. Dazu mehr später.)
    Am frühen Abend begann er zu telefonieren. Nach einigen vergeblichen Versuchen mit Leuten, die entweder nicht zu Hause waren oder ihn am letzten Abend nicht gesehen hatten, erreichte er Edgar Römertopf, auch Doc genannt, einen abnorm häßlichen Gynäkologen und Herzensbrecher. Bereits nach dem vierten Piepser hob Römertopf ab.
    »Ja«, sagte er verbindlich.
    Baltasar zog den Inhalt seiner Nase hoch. »Ich«, sagte er präzise. »Ein Mysterium.«
    Edgar lachte höhnisch. »Du bist kein Mysterium«, sagte er, »du bist ein
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