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Mord am Millionenhügel

Mord am Millionenhügel

Titel: Mord am Millionenhügel
Autoren: Gisbert Haefs
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ungeheure Folgen haben. Denk nur an die Maisflut, die nach dem Zweiten Weltkrieg über uns hereingebrochen ist, und alles nur, weil ein Übersetzer
Korn
gleich Getreide mit
corn
gleich Mais übersetzt hat.«
    Ich unterbrach ihn, ein wenig hämisch, wie ich zugebe. »Fürchtest du, daß jetzt die Mongolische Volksrepublik eine Lieferung trojanischer Zahnbürsten in die Bundesrepublik startet?«
    Matzbach wedelte mit dem rechten Fuß. »Quatsch. Es ist nur so: Ich finde das merkwürdig. Deshalb will ich wissen, woher die Bürste kommt. Deshalb will ich diesen grauen Mann finden.«
    Er richtete sich auf und starrte mich an, als wolle er mich hypnotisieren. »Außerdem«, sagte er, »kennst du ja meine Nase.«
    Ich nickte. »Dieses dicke Ding ist mir vom Ansehen bekannt.«
    »Gut, gut. Und meine Nase sagt mir, daß da etwas ist. Diesen grauen Mann umgibt ein Geheimnis.«
    Ich wußte, daß es jetzt ernst wurde. Baltasars Nase, pataphysisch gesprochen, hatte ihn wirklich noch nie im Stich gelassen. Ihr verdankte er seine finanzielle Unabhängigkeit und viele, viele Geschichten.
    »Also deine Nase mal wieder?«
    Baltasar stand auf und dräute über mir wie ein Damoklesklops. »Ganz genau, meine Nase.«
    Er ging ein paar Schritte zur Veranda, kam wieder zurück und knurrte: »Dieses dicke Ding.«
    Halblaut fuhr er dann fort: »Meine Nase sagt, daß da etwas ist, das vielleicht gar nichts mit meiner Zahnbürste zu tun hat – aber da ist etwas. Ich weiß nicht, was. Und selbst wenn ich mich ausnahmsweise von diesem dicken Ding in die Irre führen lasse – wozu lebt der Mensch?«
    Ich winkte dankend ab, soweit man im Liegen dankend abwinken kann. »Nicht schon wieder«, sagte ich matt.
    Er hob dozierend jene Wurst, die als Zeigefinger zu bezeichnen ich mich nicht aufraffen mag.
    »Wenn man nicht gerade seinen Lebensunterhalt verdient, lebt man doch, um etwas zu erleben, an das sich zu erinnern lohnt. Eh? Geschichten, die man sich später, in der Urne, gern noch mal erzählt, weil man keinen mehr zum Zuhören hat. Also: Machst du mit?«
    Ich stand ebenfalls auf. Zwar bin ich kleiner als er, aber trotzdem wirkt er auf ungefähr gleicher Höhe nicht ganz so bedrohlich.
    »Hör mal«, sagte ich, »mit den Geschichten hast du ja recht, aber im Gegensatz zu dir muß ich gelegentlich für Brot arbeiten.«
    Er betrachtete mißmutig die Papiere und Bücher auf dem großen Tisch am Fenster. Daneben stand die Schreibmaschine, und als ich sie so ansah, schien sie zu knurren und zu winken.
    »Hm«, brummte er, »was machst du denn im Moment?«
    »Och, nichts Besonderes. Wieder mal ne kleine Auftragsarbeit, Mischung aus Essay und Übersetzung. Mit Termin.«
    Baltasar schüttelte traurig den Kopf. »Kannst du nicht mal was Vernünftiges tun? Das Telefon erfinden oder so? Etwas, was Mäuse bringt?«
    »Das Telefon ist schon erfunden.«
    »Auch wahr. Also, wie steht's?«
    »Paß auf: Ich bin bereit, dich gelegentlich durch Zuhören und Mit-dir-durch-die-Gegend-Fahren zu unterstützen. Allerdings nicht vierundzwanzig Stunden am Tag.«
    Er schlug mir auf die Schulter. »Abgemacht. Kann ich mal ...?« Er wies auf das Telefon. Ich nickte. Er wählte eine mir bekannte Nummer. Ich gestehe, daß ich immer, wenn ich Baltasar beim Telefonieren zusehe, in Zustände der Verwunderung falle, weil er seine dicken Finger in die Löcher der Wählscheibe steckt, obwohl alle Naturgesetze das Eindringen von Großem in Kleines erschweren.
    Nach längerem Warten legte er den Hörer auf die Gabel. »Der Römertopf«, sagte er mißmutig, »ist nicht vorhanden, oder er will nicht gestört werden.«
    »Was willst du denn von ihm? Noch mehr Hilfstruppen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ihn noch mal was zu gestern abend fragen. Aber egal. Brechen wir?«
    Wir brachen.

2. Kapitel
    Auf der Fahrt in die Stadt fiel Baltasar plötzlich ein, daß er am vergangenen Abend auch Moritz von Morungen gesehen hatte, einen weiteren Bekannten, zu dessen Obliegenheiten als Lokalreporter einer der Zeitungen des Umkreises auch die Berichterstattung über Kriminalfälle gehört.
    »Vielleicht«, sagte Baltasar zum Lenkrad, »hat er ja ausnahmsweise mal einen kriminalistischen Tip.«
    Moritz wohnt in der Nähe der Poppelsdorfer Allee, in einem vornehm renovierten, villenartigen Bau von etwa 1890, zweite Etage. Von der Straße aus war zu sehen, daß bei ihm Licht brannte. Ich schaute auf die Uhr: kurz nach elf. Wie üblich gab es keine Parkplätze, aber jede Menge Blech zwischen den alten
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