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Mord am Millionenhügel

Mord am Millionenhügel

Titel: Mord am Millionenhügel
Autoren: Gisbert Haefs
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erzählt, eine gruseliger als die andere. Und laut! Weißt du wirklich nichts mehr? Echt?«
    Matzbach nickte.
    »Schade«, sagte Gotthold bedauernd, »die Stories waren ehrlich stark.«
    »Ach so«, murmelte Baltasar, »dir geht's um die Stories. Die krieg ich wahrscheinlich wieder zusammen. – Sag mal, war ich allein?«
    »Nee. Hattest reichlich Publikum. Haben dir dauernd Bier spendieren wollen.«
    »Widerliches Zeug. Hab ich das etwa getrunken?«
    »Nein, bist brav bei Wein geblieben. Aber satt.«
    »Hm, nun ja. Wer war denn dabei, so gegen Ende?«
    Gotthold überlegte einen Moment. Er konnte es sich leisten; der Laden war noch fast leer. Schließlich nannte er ein paar Namen, von denen Baltasar die meisten nichts sagten.
    »Und dann bin ich kurz vor fünf verschwunden?«
    »Richtig. Hast aber brav deine Zeche bezahlt, das heißt, alles, was nicht schon die anderen bezahlt hatten, für deine Geschichten.«
    »Bin ich allein rausgegangen?«
    »Ja. – Das heißt, warte mal. Da war noch so 'n älterer Knacker, so 'n grauer Typ, weißt du, Haselmaus.«
    »Haselmaus?«
    »Na ja, so 'n unauffälliger. Hatte die ganze Zeit zugehört und ist dann mit dir zusammen raus. War auch ziemlich breit.«
    Baltasar grübelte, konnte sich aber an keine Haselmaus erinnern. »Wie alt war der denn? Älter ist dehnbar. Ich bin auch älter.«
    Gotthold grinste wieder. »Nee, du bist fetter. Also, warte mal, ungefähr sechzig, schätze ich. So 'n Greis, Typ Vertreter, grauer Anzug, graues Gesicht, graue Haare, alles wischiwaschi.«
    »Hab ich mit ihm geredet?«
    »Glaub ich nicht. Ihr seid nur zusammen rausgegangen, das ist alles.«
    »Kennst du den?«
    »Kann sein, daß er schon mal hier war, vielleicht auch nicht. Weiß nicht. Du, die ganzen Ministerien und Ämter sind voll von solchen. Wenn du einen brauchst, den kriegst du für nen Groschen auf'm Flohmarkt nachgeschmissen.«
    Gegen neun trudelte Baltasar dann bei mir ein. Bis er mir die Affäre soweit dargelegt hatte, war es kurz nach zehn. Dann schaute er mich aus seinen grauen Krakenaugen an und sagte:
    »Kannst du mir helfen?«
    Ich goß uns Kaffee aus der Thermoskanne nach. »Wobei?«
    »Bei der Suche nach dem Bürstenhalter.«
    »Wieso gerade ich?«
    »Na, ist doch logisch.«
    Wir hockten auf dem Teppich, zwischen Regalen, halb unter dem kleinen Couchtisch. Durch die offene Verandatür mischten sich abendliches Vogelgezwitscher und das Tuckern der Rheinkähne in die Unterhaltung. Matzbach deutete auf die Regale und den Tisch voller Papiere.
    »Als Künstler«, sagte er, »oder so was ähnliches bist du viel nüchterner als die ganzen überphantastischen Vierzig-Stunden-Arbeiter, die hinter allem ein Gesetz wittern. Du kannst doch als Poet die einfachen Zusammenhänge zwischen Wolken und Wasser viel sachlicher sehen, ohne gleich in Ergüsse über H 2 O und die Meteorologie und was der Science Fiction noch mehr ist zu verfallen.«
    Ich lachte herzlich. »Lieber Baltasar, ist dir eigentlich schon aufgefallen, daß deine ganze Sucherei von vorn bis hinten absurd ist?«
    Er setzte ein beleidigtes Gesicht auf. »Inwiefern absurd? Ich bitte dich, wenn Zahnbürsten sich selbständig machen und Haselmäuse morgens um fünf in meiner Gesellschaft durch Bonn torkeln, was ist dann noch absurd oder sinnvoll?«
    »Wie kann man nur so einen Aufstand machen wegen einer Zahnbürste. Wirf sie weg, kauf dir für einsfuffzig ne neue und stell sie in deinen Kühlschrank.«
    »Ich will wissen, wie eine wildfremde Zahnbürste in mein Bad kommt. Also, hilfst du mir jetzt oder nicht?«
    »Wobei?«
    »Na, den grauen Mann zu finden.«
    »Was willst du denn mit dem?«
    »Vielleicht kann der mir weiterhelfen. Graue Männer sind zu allem imstande, das sieht man doch am Zustand der Republik.«
    »Wohl wahr. Also – du hast dir in den Kopf gesetzt, deine Zeit mit der Suche nach dem Bürstenhalter zu vergeuden, unwiderruflich?«
    »Genau.«
    »Aus irgendeinem Grund, abgesehen von deiner üblichen, leichtsinnigen Neugier?«
    Baltasar legte sich lang auf den Teppich, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und rülpste. Dann starrte er das dreijährige Spinnengewebe an, das wie eine abstrakte Tapisserie in der Ecke über dem Fernseher hing.
    »Weißt du«, sagte er versonnen, »die Sache hat mehrere Aspekte. Erstens ist es zumindest merkwürdig, wenn eine Zahnbürste irgendwo mysteriös auftaucht, ohne daß jemand weiß, wie sie dahin gekommen ist. Und bedenke, winzige, vielleicht alberne Dinge können
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