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Mord am Millionenhügel

Mord am Millionenhügel

Titel: Mord am Millionenhügel
Autoren: Gisbert Haefs
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Kastanien und den neuen Neonlaternen, und wie üblich parkte Baltasar sein Vehikel unter souveräner Mißachtung aller Verkehrsregeln.
    Die Eingangstür des Hauses war nur angelehnt. Wir stiegen die Treppen zur zweiten Etage hinauf; Baltasar klingelte mehrmals und energisch. Nach einer kleinen Weile öffnete sich die Tür; Moritz stand vor uns und lächelte. »Ah, die günstigen Nachtschwärmer«, sagte er. »Was verschafft mir das Vergnügen?«
    Er blieb in der Tür stehen. War barfuß, trug eine leichte Hose und ein offenes Hemd. Ein scharfes Auge konnte die nicht sehr gründlich verwischten Lippenstiftspuren kaum übersehen.
    »Eh, Moritz«, sagte Baltasar, »haben wir uns gestern gesehen?«
    Moritz nickte. »Filmriß, altes Ekel?«
    Baltasar bestätigte. Weitere Fragen, unter anderem nach einem grauen, haselmausartigen Mann, führten zu nichts. Moritz hatte nichts gesehen.
    »Hör mal«, sagte er, »ich komme morgen bei dir vorbei, so gegen sechs, ja?«
    Wir verabschiedeten uns und stiegen die Treppe wieder hinunter. Baltasar sah mich von der Seite an. »Das war ja deutlich«, sagte er grinsend.
    Dann, eher zu sich selbst: »Also, entweder war da schon verschärfte
action
im Gang, oder die Frau ist dumm, oder hübsch, oder häßlich, oder einer von uns kennt sie, oder er will nicht, daß jemand sie sieht. Jedenfalls ist etwas nicht so, wie es sein sollte. Wir leben in würdelosen Zeiten.«
    Mit den letzten Silben, die er von sich gab, als wir das Haus schon wieder verlassen hatten, rannte er gegen einen nächtlichen Wanderer, der mit einer Dame das Viertel durchquerte. Der Mann musterte ihn unfreundlich und fragte:
    »Haben Sie was gesagt?«
    Baltasar betrachtete ihn und die wie zur feierlichen Eröffnung der Brutsaison aufgetakelte Drohne an seinem Arm; dann verneigte er sich und erwiderte elegant:
    »Nichts von Bedeutung, mein Herr. Nur, pardon, Madame, eine erfreute Sentenz über die wohlriechenden Essenzen, in denen Ihre Begleiterin, dieser liebliche Kampfroboter, zu baden pflegt. Kampfer, nehme ich an. Ah, welch orientalische Wollust!«
    Damit ließ er die beiden stehen, die ihm sprachlos nachblickten, und ging zu seinem Gefährt. Ich beeilte mich, ihm zu folgen, um nicht in irgendwelche Gefechte verwickelt zu werden.
    »Das war«, erklärte Baltasar, als wir weiterfuhren, »die demographische Mitte der Bonner Bevölkerung, repräsentativ für Regierung und Regierte gleichermaßen.«
    Ich verschluckte alle gegen Baltasar nutzlosen Antworten und sagte statt dessen: »Was jetzt?«
    Baltasar blickte auf die Uhr und ignorierte eine rote Ampel. »Hm, also
Gamsbart, Kuhle
und
Lauseck
müßten wir noch schaffen.«
    Das hieß: Er wollte alle Lokale im weiteren Umkreis des Pinsel abgrasen.
    Ich war skeptisch. »Also,
Lauseck
kann ich mir nicht vorstellen. Hör mal, da hängen doch immer noch vor allem Linke und Grüne nun. Was soll da eine sechzigjährige Haselmaus?«
    Baltasar rümpfte die Nase. »Ah, man darf nichts ausschließen. Vielleicht ist er ja ein verkappter DDR-Agent und hat 'ne Sekretärin gesucht.«
    In der
Kuhle
trieben sich die üblichen Kurzen zu ohrenbetäubendem Reggae herum. Baltasar hielt einen fest und sagte:
    »Hast du deine Hausaufgaben schon gemacht?«
    Der Junge sah ihn an, als käme Matzbach vom Mars, riß sich los und sagte etwas, was sich wie »Hau ab, alter Sack« anhörte.
    Als wir wieder draußen waren, schüttelte Baltasar den Kopf. »Die sind so frech wie ich, Unverschämtheit.«
    Im
Gamsbart
, einer normalen Kneipe, hockte ein flüchtig Bekannter, der bei unserem Anblick aufschrie, endlich kämen die beiden Strohmänner für seinen Skat. Baltasar sah mich an; ich nickte; er blickte auf die Uhr.
    »Na ja«, sagte er, »ich glaub eh nicht, daß wir heute unseren Mann noch finden.«
    »Wen sucht ihr denn?« sagte der Skatspieler.
    Baltasar machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ach, so nen kleinen grauen Mann, Haselmaustyp, weißt du, um die Sechzig, der gestern abend im
Pinsel
war. Ich hatte gehofft, er wäre vielleicht auch mal hier gewesen.«
    »Ach, so 'n Knacker, der gestern die ganze Zeit zugehört hat bei deinen makabren Geschichten?«
    Baltasar kriegte rosa Ohren. »Warst du auch im
Pinsel

    »Ganze Weile, aber du warst viel zu breit, um irgendwen zu erkennen.«
    Er wandte sich an eine Studentin, die manchmal kellnerte und ihren freien Abend in der gleichen Kneipe verbrachte. »Sag mal, du kennst den doch, ne? Hat der dich nicht neulich mal angemacht? So 'n alter grauer
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