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Mord allein macht auch nicht glücklich: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Mord allein macht auch nicht glücklich: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Titel: Mord allein macht auch nicht glücklich: Ein Provinzkrimi (German Edition)
Autoren: Maximo Duncker
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die Augen taten ihr weh.
    Erst als sie versuchte, das Tuch zu entfernen, oder was immer das war, das noch immer auf ihre Augen drückte und sie blind machte, merkte sie, dass ihre Hände gefesselt waren. Hinter ihrem Rücken. Mit Handschellen. An einem Rohr vermutlich, denn als sie an den Fesseln rüttelte, gab es ein lautes metallisches Geräusch, das im Raum hallte.
    Peggy erschrak. Sie versuchte, sich nicht zu bewegen. Sie hielt die Luft an und lauschte. Sie merkte, wie ihre Handgelenke unter dem Druck der Handschellen pochten.
    Wenig später hörte sie, wie sich Schritte näherten.
    Auch die Schritte hallten, und sie mischten sich mit den fallenden Tropfen zu einem Rhythmus der Angst.

Vermisst
    »Peggy ist weg!« Der Schweiß lief Kai van Harm aus allen Poren, als er zurück in der Kulturscheune war, wo die Freunde der Literatur noch immer sich selbst und den Beginn des Wochenendes feierten.
    »Was?« Bruno hatte offenbar nicht zugehört. Er stand gedankenversunken vor der improvisierten Bar, ein Glas Wein in der Hand, und starrte auf eine kleine Galerie mit Autorenfotos, die an der Wand hing. Die gerahmten Fotos waren in nostalgischem Schwarz-weiß, sie waren signiert und hatten, wie Kai fand, etwas schwer Prätentiöses: Schriftsteller beim Posen.
    »Peggy ist weg! Und ihr Wagen ist auch nicht mehr da«, rief Kai, so laut, dass sich einige der Gäste erstaunt nach ihm umdrehten.
    »Haste sie angerufen?« Bruno war sofort von null auf hundertachtzig.
    »Ja, aber ihr Telefon ist ausgeschaltet.«
    »Los«, sagte Bruno und stürmte nach draußen. Kai folgte ihm. Komischerweise hatte Bruno noch immer das Weinglas in der Hand. Immerhin trank er nicht daraus, während sie zum Eingang der Gästewohnung liefen, wo Bruno sich ohne Umstände auf seine Lidl-Tüte stürzte, um darin nach seinem Handy zu fischen. Als er es gefunden hatte, nahm er erst das Weinglas, das er vorher auf dem Nachttisch abgestellt hatte, und trank einen Schluck, bevor er sich durch das Menü des Telefons hangelte. Viel schneller als heute Mittag gelang es ihm, die richtige Nummer zu finden und zu wählen. Bruno lauschte eine Weile, dann schrie er in sein Handy: »Mensch Robert, wo bist du denn? Die Kleene is weg. Benötigen dringend Ortung des Wagens. Ruf sofort zurück, wenn du das hörst. Hast du verstanden? Over and out!«
    »Und jetzt?«
    »Wir schicken ihm noch ’ne E-Mail hinterher«, sagte Bruno, »vielleicht hat er ja Kopfhörer auf und sitzt damit vor den Monitoren. Los schmeiß mal deinen Computer an.«
    Kai fuhr sein Notebook hoch, sie trugen das Passwort für das WLAN ein (»Kulturscheune«), und Bruno setzte anschließend eine E-Mail an Robert alias Addi ab, deren Text ungefähr seiner Mailbox-Nachricht entsprach.
    Dann hielten sie für ein paar Augenblicke inne.
    »Und was jetzt?«, fragte Kai. Er war froh, dass Bruno und seine Privatarmee die Zügel übernahmen.
    »Jetzt heißt es abwarten«, sagte Bruno und trank den Rest des Weins.

Tropfen
    Dann hörten die Schritte auf zu hallen, denn der Mann stand direkt vor ihr. Peggy konnte ein Aftershave riechen, Zigarettenrauch und Schweiß. Sie versuchte, sich nicht zu bewegen, versuchte so zu tun, als sei sie noch immer ohne Bewusstsein. Aber dafür musste sie atmen, statt vor lauter Angst die Luft anzuhalten. Sie musste regelmäßig atmen, ohne nachzudenken. Vielleicht konnte sie ihre Atemfrequenz an den Rhythmus der fallenden Tropfen anpassen.
    Ihr Nacken begann jetzt zu schmerzen, vor lauter Anstrengung, sich nicht zu bewegen. Sie merkte, wie die Halsmuskeln zu zittern begannen, wie ihr Kinn anfing zu beben, das sie auf die Brust gesenkt hatte.
    Nein, es ging nicht mehr, das hielt sie keine Sekunde länger aus. Alles war zum Explodieren gespannt. Das Blut rauschte mit rasender Geschwindigkeit durch ihren Körper. Es schien ihr, als käme das Herz kaum nach mit dem Pumpen, und sie verfluchte den Moment, in dem sie aus der Ohnmacht aufgewacht war.
    Dann hörte sie Stoff rascheln, und sie wusste, ihr Entführer war in die Hocke gegangen. Der Geruch von Aftershave, Zigaretten und Schweiß wurde intensiver.
    Peggy konnte jetzt lauten Atem hören. Es war nicht ihr eigener.

Warten
    »Ich liebe ja diese sehr intimen Künstlerporträts, Herr Zabel«, sagte Frau Schmidt-Balldruscheidt, die nach ihrem dritten, vierten Riesling glatt ihren Standesdünkel vergessen hatte.
    Weil Bruno noch eine Kleinigkeit essen wollte, waren sie aus der Gästewohnung zurück in die Kulturscheune gewechselt.
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