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Mord allein macht auch nicht glücklich: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Mord allein macht auch nicht glücklich: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Titel: Mord allein macht auch nicht glücklich: Ein Provinzkrimi (German Edition)
Autoren: Maximo Duncker
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nehmen und zu schütteln, trat Frau Dr. Gruber einen Schritt zurück und musterte Bruno über den Rand ihrer rahmenlosen Brille.
    »Soll ich Ihnen was sagen, lieber Herr Zabel«, sagte Frau Dr. Gruber dann, lächelte und ergriff jetzt doch Brunos rechte Hand, die noch immer leicht verloren in der Luft hing.
    »Ick bitte darum, gnädige Frau.«
    »Sie sehen genau so aus, wie ich Sie mir bei der Lektüre vorgestellt habe.«
    »Is dit jut oda schlecht?«
    »Tja, wenn Sie mich so direkt fragen …«, sagte Frau Dr. Gruber und ließ, diesmal ohne zurückzutreten, ihren Blick über Brunos Siebziger-Jahre-Festtagsgarderobe schweifen, einmal hoch und einmal runter, »auf jeden Fall spricht es für die Beschreibungskünste von Herrn van Harm, würde ich sagen.«
    »Ick hab dit Buch ja noch nich jelesen«, sagte Bruno.
    »Frau Dr. Gruber hat übrigens noch eine Überraschung für dich, Bruno«, sagte Kai van Harm.
    »Da krieg ick jetzt aba Angst«, erwiderte der, und tatsächlich wurde sein Blick unruhig.
    »Wofür es überhaupt keinen Grund gibt«, sagte Frau Dr. Gruber, legte ihm beschwichtigend die Hand auf den Unterarm, strahlte plötzlich über das ganze Gesicht und fuhr fast ein wenig feierlich fort: »Der Buttermann-Verlag erlaubt sich, in Kooperation natürlich mit dem Erlebnis-Hotel Sterelle, Ihnen einen siebentägigen Aufenthalt in der Hauptstadt zu – wie soll ich sagen? – zu schenken und zwar als Dank für Ihre Verdienste bei der Entstehung des Buches, dessen Erscheinen wir heute Abend feiern.«
    »Das es ohne dich, Bruno, wie gesagt, nicht geben würde«, sagte van Harm.
    »Da bin ick jetzt aba baff.« Bruno sah aus, als hätte man ihm die Stütze gekürzt.
    »Ich nehme mir frei und zeig dir mal in Ruhe die Stadt«, sagte van Harm. »Wir können auch mal raus nach Potsdam fahren.«
    »Ne janze Woche«, stöhnte Bruno, und er sah nicht glücklich dabei aus.
    »Kommen Sie, Herr Zabel«, sagte Frau Dr. Gruber, »in der ersten Reihe ist ein Stuhl für Sie reserviert.«
    »Ne janze Woche!« Man sah Bruno an, dass er sich nicht traute, das zu tun, wonach ihm im Moment am allermeisten war: das Angebot dankend abzulehnen.
    »Großartig, nicht wahr«, ignorierte Frau Dr. Gruber Brunos resignierten Tonfall und sagte dann, an Kai van Harm gewandt: »Sie sollten jetzt langsam aufs Podium gehen, Herr van Harm. Wir sind schon fünf Minuten über der Zeit.«

Fingerfood
    Wie er schon dasitzt: so lässig, so abgebrüht. Beine übereinandergeschlagen. Ach Gottchen, wie charmant! Und wie die dämlichen Weiber um ihn rumscharwenzeln! Wie sie auf diesen sogenannten Charme hereinfallen. Wie sie um Widmungen betteln! Für Claudia! Für Anke! Für Bettina! Fünfzehn Weiber stehen da Schlange an seinem Tisch. Und da kommt noch eine nach vorne, und da ist schon die nächste. Alle mit seinem Machwerk in der Hand. Den halben Büchertisch haben sie schon leergekauft. Wie sie alle um ein Autogramm von ihm betteln, einen persönlichen Krakel in diesem Schrottbuch! Das soll lustig sein? Und ein Kriminalroman? Da lachen ja die Hühner. Sein ganzer Auftritt war zum Würgen. Wie er zuerst kokett von seinem Lampenfieber schwadroniert. Und dass es eine Premiere für ihn sei, öffentlich etwas vorzutragen. Und wie er dann doch vorgelesen hat wie ein Profi! Wie ein Schauspieler fast.
    Zwischendurch immer ein Schlückchen vom Weißwein. Man ist ja kultiviert. Man ist ja Großbürger. Und gebildet. Aufgewachsen mit Goethe-Gesamtausgabe und Konzertflügel im Wohnzimmer. Privatschule, Tennisklub und alles. Man hat ja seit jeher das Geld in den Arsch geblasen gekriegt. Deswegen darf man das: arrogant sein, überheblich, zynisch. Nie ernst, immer ironisch. Deswegen darf man auf die anderen runterkucken, die nicht so sind. Sie verachten. Und sie schlecht machen. Und über sie lachen.
    Deswegen darf man eine Witzfigur wie diesen Bruno als seinen Freund bezeichnen. Obwohl jeder sieht, was für eine Beziehung das ist. Wer sich da über wen lustig macht. Wer der Herr ist und wer der Knecht. Obwohl jeder sieht, wie dem Großbürger der Dünkel aus jeder Pore trieft, wenn er die Witzfigur in Schlaghosen auf die Bühne bittet. Und sie umarmt. Und sich bedankt. Was für ein Schmierenstück.
    Ah, die Weiber sind abgefertigt. Jetzt kommt das Personal mit den silbernen Tabletts. Jetzt gibt es Wein für alle. Man lässt sich ja nicht lumpen! Und Häppchen, Fingerfood. Im Hals soll es ihnen steckenbleiben!
    Aber diesmal kommst du nicht damit durch. Du wirst büßen
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