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Mops und Möhren

Mops und Möhren

Titel: Mops und Möhren
Autoren: Silke Porath
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sexuellen Orientierung zu tun haben, hat er mir mehrfach erklärt. Ich glaub’s ihm trotzdem nicht – dazu habe ich zu viele heterosexuelle Männer kennengelernt, für die Abwasch, Staubwedel oder Mülleimer fremde Welten sind. Trotzdem beharrt Rolf darauf, dass es auch jede Menge schlampige Homos gäbe. Vorgestellt wurde mir allerdings noch keiner.
    Mitten auf dem Tisch steht ein brauner Karton in doppelter Schuhschachtelgröße. Mit meinem Namen drauf! Ach Arne, wie süß von ihm! Über dem ›j‹ von Tanja hat er statt eines Punktes mit dem roten Edding ein Herzchen gemalt. Was mein eigenes Herzchen zum Hüpfen bringt. Hastig nehme ich den Deckel ab und. Vor meinem inneren Auge taucht in Technicolor eine Szene aus ›Pretty Woman‹ auf – die Schöne öffnet die Designerschachtel eines Designerladens mit Designerschleife oben dran und entnimmt dem Schächtelchen mit verzücktem Blick ein Designerkleidchen. Bei ›Freaky Tanja‹ ist das ein brauner Karton ohne Schleife, und die Hauptdarstellerin hält sich staunend einen knallroten Rettungsblazer mit silbernen Leuchtstreifen vor die verquollenen Augen. Die dazugehörende Hose linst frech aus dem Karton. Ehe ich mich ärgern oder freuen kann – ich weiß nicht, wofür ich mich entscheiden soll – , bimmelt es an der Tür. Earl kläfft verschlafen und Mudel schickt ein kleines Bellerchen hinterher.
    »Hey super, du hast es gefunden«, sagt Arne und schiebt sich an mir vorbei. Er selbst steckt schon in seinem Arbeitsanzug. Und ich muss zugeben: Das Knallrot steht ihm ausgesprochen gut. In der Hand hält mein Tierarzt seinen schwarzen Notfallkoffer.
    »Dann zieh es schnell an, wir haben einen Einsatz!«
    »Ja, Moment mal«, protestiere ich, »mein erster Arbeitstag ist aber erst morgen.«
    »NOTFALL!«, ruft Arne. »Muss ich es buchstabieren?«
    Am liebsten hätte ich ihm den Anzug vor die Füße und die Tür vor der Nase zugeknallt. Aber erstens sieht Arne verdammt sexy aus in seiner Tierrettungsuniform. Und zweitens ist er nicht nur mein Lover, sondern auch mein Chef.
    Keine drei Minuten später sitze ich neben Arne im Rettungswagen. Dieses Mal auf dem Beifahrersitz – ich wäre zu nervös, um jetzt zu fahren. Klar haben wir letzte Woche schon geübt. Aber es ist ein verdammter Unterschied, ob Tanja einen handlichen Fiat durch die Straßen bugsiert oder einen Rettungswagen mit den gefühlten Ausmaßen eines amerikanischen Trucks mit Überbreite. Arne meinte zwar, Auto sei Auto, aber allein die technische Ausstattung im Cockpit erinnert dann doch mehr an ein Flugzeug. Tacho und Tanknadel konnte ich noch zuordnen. Mit den Knöpfen fürs Funkgerät wurde es schon schwieriger. Zum Glück ist das Martinshorn nebst Blaulicht abgeklemmt, solcherlei Warnsignale sind nur bei menschlichen Notfällen erlaubt.
    Ansonsten gleicht der Wagen ziemlich genau einem handelsüblichen Rettungswagen – der er ja auch einmal war. Abgesehen von den Hundeboxen, den Maulkörben und den Krallenschutzhandschuhen hat unser Sanka alles, was in der menschlichen Version auch drin ist: Stahlliege, Beleuchtung, eingebaute Schränkchen mit allerlei Spritzen und Kanülen. Sogar ein Beatmungsgerät ist mit an Bord.
    Und das, glaube ich, brauche ich gleich. Für mich. Arne rast mit Karacho um die Kurven. Rote Ampel? Nicht doch – dem Feiertag sei dank sind nur wenige Autos unterwegs, und so nimmt mein Tierretter es nicht ganz so genau mit der Verkehrsordnung. In null Komma nichts ist mir schlecht. Zum Glück sind wir beinahe im selben null Komma nichts am Einsatzort angelangt. Arne bringt den Rettungswagen mit einer knackigen Vollbremsung in der Einfahrt eines Hochhauses zum Stehen. Und dann geht alles ganz schnell, als ob wir seit Jahren nichts anderes tun: Im selben Moment, in dem Arne den Zündschlüssel zieht, habe ich schon meinen Gurt gelöst, springe aus dem Wagen, reiße die Schiebetür auf und den Notfallkoffer an mich. Arne knallt die Tür zu, rast zum Eingang des Hochhauses, ich hinterher. Zum Glück steht die Haustür offen und wir stürzen zum Lift. Arne drückt auf die Sieben. Keuchend starren wir uns an.
    »Ich war schon mal da«, hechelt mein Lover, noch ehe ich ihn fragen kann, warum er den Weg wie ein Schlafwandler kennt. Bevor ich etwas sagen kann, kommt der Aufzug zum Stehen und die Tür gleitet auseinander. Direkt gegenüber wird eine Wohnungstür aufgerissen.
    »Die Alice, Herr Doktor!« Eine zitternde Stimme quäkt uns entgegen. Ich sehe einen adrett ondulierten
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