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Mops und Möhren

Mops und Möhren

Titel: Mops und Möhren
Autoren: Silke Porath
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Grauschopf und die fliegenden Schöße einer Kittelschürze, als das Muttchen durch den kurzen Flur der Wohnung rennt. Arne folgt ihr mit ruhigem, aber festem Schritt. Ich linse auf das Klingelschild: Jirak. Dann stürze ich hinter dem Lebensretter in die Wohnung. Typischer Plattenbau, funktional, ein wenig duster. An den Wänden hängen auf Pappe geklebte Puzzles – Sonnenuntergänge, Palmeninseln, jedes mindestens 2.000 Teile. Auf dem Telefontischchen, auf dem immerhin ein schnurloses Gerät im Ladeteil parkt, liegt ein Häkeldeckchen.
    Im Wohnzimmer riecht es ein wenig muffig. Die gehäkelten Gardinen bedecken nur die obere Hälfte des Fensters und scheinen mit den Spitzenborten die Blüten der Orchideen auf dem Fensterbrett zu streicheln. Über der Couch – mit Häkeldeckchen auf den Armlehnen – hängt ein Puzzle mit einem Van Gogh-Sonnenblumenmotiv. Geschätzte 5.000 Teile. Auf der Couch sitzt Arne und streichelt ein riesiges getigertes Fell, das die Hälfte des Sitzmöbels einnimmt. Das Fell schnurrt.
    »Ist das Alice?«, frage ich und will den Notfallkoffer auf den Tisch stellen. Geht aber nicht, denn zwischen den Tassen, der Kaffeekanne und dem Teller mit Mohnschnecken ist dafür kein Platz.
    »Das ist Alice«, sagt Arne und krault das Fell an einer Stelle, die vermutlich das Ohr ist.
    »Äh«, sage ich. Und nochmal »Äh.« Ich bin ja keine Tierärztin – aber für einen echten Notfall schnurrt die Katze zu laut und sieht mein Tierdoc zu entspannt aus. Ich lasse den Koffer neben dem Couchtisch zu Boden gleiten und starre Arne an. Der grinst und sagt mit Blick über meine Schulter:
    »Ja, gern mit Sahne, Frau Jirak.«
    Ich fahre herum und sehe, wie das Muttchen eine Glasschale mit einem Schlagobersberg zum Tisch balanciert. Arne zwinkert mir zu und bedeutet mir mit einer Kopfbewegung, mich zu setzen. Da das Plumeau von einer riesenhaften Katze nebst Leibarzt besetzt ist, wähle ich den Sessel, in dem ein mit Rosen besticktes Kissen liegt. Frau Jirak platziert sich in den anderen Sessel und beginnt sogleich, die drei Tassen mit dampfendem Kaffee aus der Thermoskanne zu füllen.
    »Nennen Sie mich doch Helene«, sagt sie, als sie mir die Tasse über den Tisch reicht.
    »Tanja«, stottere ich. Und ich habe jede Menge Grund zu stottern, schließlich habe ich ein verblutendes Tier, ein Viech mit einer Darmverschlingung oder zumindest einen Blutdruckabfall erwartet. Nicht aber Mohnschnecken.
    »Was hat Alice denn?«, wage ich zu fragen, nicht ohne Arne einen bösen Blick quer über das Zuckerdöschen hinweg zuzuschießen. Mein Herzliebster sieht mich ungerührt an.
    »Na ja, sie ist halt so einsam«, sagt Helene und wirft sich zwei Stück Zucker in den Kaffee. »Und heute morgen war sie so ruhig.« Verpennt, nehme ich mal an, oder im Verdauungskoma. So fett wie die Katze ist, bekommt sie die Brekkies ganz sicher stets mit Sahne serviert.
    »Hat sie denn gefressen?«, fragt Arne und beißt genussvoll in eine Mohnschnecke.
    »Ja, doch Appetit hatte sie«, meint Frau Jirak und greift nun ihrerseits nach einem süßen Stückchen. Ein Krümel bleibt an den rosa geschminkten Lippen hängen. Ich starre zwischen Krümel, Katze und Kaffeepot hin und her. Will die uns vereiern?
    »Blutdruck?«, presse ich hervor und starre Arne an. Der hat die Wangen voll mit Hefeteig.
    »Machmal, kannsuja«, krümelt er und leckt sich über die Lippen. Ich kann meine Augenbrauen gar nicht so weit hochziehen, wie ich will. Und als Arne mir mit diesem leicht debilen, aufmunternden Gesichtsausdruck zunickt, schnellt mein Blutdruck nach oben. Ganz oben. Geht’s noch?
    Frau Jirak beugt sich über den Tisch und balanciert die Tortenplatte direkt vor Arnes Gesicht, kaum dass der das letzte Stückchen Mohnschnecke in den Mund geschoben hat. Ich stöhne innerlich auf, schnappe mir den Notfallkoffer, klappe ihn auf und nehme eine leere Spritze. Wollen doch mal sehen, wer das bessere Schmierentheater spielt.
    Während ich mit der Plastikspritze an den Ohren von Alice rumfummele – was der Katze gefällt, denn sie schnurrt nun noch lauter – , steht Frau Jirak auf und geht zur Anrichte. Dort grabbelt sie in einer Schublade rum. Ich nehme die Spritze und halte sie Alice vor die Schnauze. Der Stubentiger schnuppert daran und gibt dem Plastikteil einen Stüber mit der Pfote. Ich lasse die Spritze vor der Nase der Katze hin und her baumeln. Alice lässt den Kopf hin und her schwingen und fixiert das Plastikteil.
    »Herr Doktor, ich habe da mal eine
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