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Mops und Möhren

Mops und Möhren

Titel: Mops und Möhren
Autoren: Silke Porath
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Er liegt auf dem Rücken. Den Kopf zur linken Seite geneigt. Die Zunge hängt heraus und ein Speichelfaden seilt sich Richtung Kissen ab. Wie ich sehe, seilt er schon ziemlich lange, denn das rote Polster hat unter Earls zerknautschtem Kinn einen dunklen Sabberfleck. Als ich mit den nackten Zehen gegen eine umgekippte Sektflasche stoße, hört das Schnarchen abrupt auf. Der Mops quittiert das Klirren auf den Fliesen mit einem unwilligen Brummen.
    Mudel, der Welpe, seines Zeichens Sohn von Earl of Cockwood, einem reinrassigen Mops, und einer namentlich nicht bekannten Pudeldame, fiept leise, als sein dicker Vater sich auf die Seite rollt. Das Fiepen hallt in meinem Schädel wider, knallt von innen mit der Macht einer Billardkugel gegen die Stirn und rollt zurück in den Nacken. Aus verquollenen Augen versuche ich, die Lage zu peilen: Plattgetretene Kartoffelchips und Cracker bilden einen interessanten Belag auf den Fliesen. Umgekippte Sektflaschen liegen dekorativ auf dem Tisch, dem Boden. Nur eine steht noch – auf der Armlehne der Couch.
    Auf dem Couchtisch quellen drei als Aschenbecher genutzte Kaffeebecher über. Zerfetzte Luftschlangen hängen träge von den Blättern des Gummibaums in der Ecke, und der Flachbildschirm an der Wand wurde mit Blümchen aus rosa Lippenstift verziert. Über Nacht sind die Nudeln, die irgendwer direkt aus der Salatschüssel auf den Tisch gekippt hat, trocken geworden. Ein glitzerndes Partyhütchen hängt an der Deckenlampe. Durch das Oberlicht fällt fahles Morgenlicht auf die Müllhalde, die gestern Abend noch ein aufgeräumtes WG-Wohnzimmer war.
    Geile Party!
    Scheiß Kopfschmerzen.
    Ich versuche, mich an den Fliesenfugen zu orientieren und tappe langsam Richtung Küche. Sehr langsam. Denn bei jedem Schritt hüpft die graue Masse in meinem Kopf gegen die Schädeldecke. Ungutes Gefühl. Mein Magen rumort in Tönen, die ich so sonst nur von Magenverstimmungen kenne. Und in meinem Mund scheint eine Hamsterfamilie – alle tot – zu hocken.
    Als ich vorsichtig die Küchentür aufstoße, schlägt mir gleißend helles Licht entgegen. Ich kneife die Augen zusammen und stoße auf. Zum Glück funktionieren meine Reflexe auch unter Alkohol einigermaßen und das Gurgelzäpfchen hält das letzte Glas Sekt von gestern, das ins Licht strebt, gekonnt in Schach.
    »Willkommen im Jahr 2010, Prinzessin!«
    Wie macht der das? Der hat doch mindestens doppelt so viel Sekt in sich hineingeschüttet wie ich? Chris hat keine Augenringe. Chris hat keine fahle Haut. Chris ist so frisch wie das neue Jahr. Typisch schwuler Mann – der zerknitterten Weiblichkeit in Sachen Schönheit immer einen Schritt voraus.
    »Du siehst verheerend aus.« Danke, Rolf. Du siehst … leider genauso proper aus wie dein Verlobter.
    »Euch auch ein gutes neues Jahr«, presse ich hervor. Das Licht schmerzt in meinen Augen. Rolf tut, was ein guter Mitbewohner in solchen Momenten immer tut – er füllt ein Glas mit Wasser, gibt zwei Aspirin hinein und streckt es mir entgegen. Mein Gurgelzäpfchen hat Mühe, die Medizin an sich vorbeizulassen und auch der Pförtnermechanismus meines Magens mag diesen Neuzugang nicht wirklich. Mit gewaltiger Anstrengung gelingt es mir trotzdem, das Aspirin in meine Blutbahn zu pushen.
    »Schlummert dein Doktor noch?« Chris zwinkert mir zu und Rolf formt einen tuntigen Kussmund. Ich brumme etwas Unverständliches, denke an den Tierarzt, der in meinem Zimmer liegt und keine Kleider anhat, und lasse mich auf den nächsten freien Stuhl fallen. Zwischen einem Dutzend kleiner Töpfchen, in denen Glücksklee steckt, haben meine Prachtkerle Aufbackbrötchen, Marmelade und Honig, eine kleine Wurstplatte und Orangensaft gestellt. Eine Tasse Kaffee später dämmert es in meinem Hirn. Schemen der Silvesterparty tauchen auf: Chris und Rolf, die eng umschlungen auf dem Balkon stehen. Arne und ich, wie wir zu Partymusik abrocken, jeder eine Flasche Sekt in der einen und eine Kippe in der anderen Hand. Dazwischen irgendwo Earl und sein Spross, die die neuen Flyer für die Tierrettung annagen …
    Geile Party.
    Scheiß Kopfschmerzen.
    Die hat Arne auch. Jedenfalls sieht er so aus, als er wenig später mit hängenden Schultern, hängendem Haar und sehr tief hängenden Augenringen in die Küche schleicht.
    »Happy new year!«, ruft Chris.
    »Du mich auch«, kontert mein Liebster und lässt sich wie ein Sack Kartoffeln auf den Stuhl plumpsen.
    »Käffchen?« Unser Sonnenschein Chris ist durch nichts leicht zu
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