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Moonsurfer

Moonsurfer

Titel: Moonsurfer
Autoren: Jan Birck
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draußen schwimmt jemand!« Sie zerrt an seinem Hemd, um Ernie irgendwie dazu zu bewegen, sich aufzurichten und selbst davon zu überzeugen.
    Der Hochseefischer zerknüllt sein leeres Zigarettenpapier, schnippt es brummend in den Wind, schiebt sich die Brille, die an einem dünnen Silberkettchen vor seinem Bauch baumelte, auf die Nase und blickt mit gespielt ernstem Blick hinaus aufs Meer.
    »Siehst du was, Joey?«
    Joey tut es ihm gleich, mit dem einzigen Unterschied, dass er die dunkle und viel zu große Sonnenbrille vor seinen Augen nach oben auf die Stirn schiebt, bevor er hinausspäht.
    »Nee, Ernie, nix zu sehen. Nur Wasser …«
    Ernie wendet sich wieder der Archäologin zu.
    »Liebste Susan, wir waren die ganze Nacht dort draußen, und ich versichere Ihnen: Dort befindet sich nur Salzwasser, in dem sich schöne fette Schwertfische, leckere Baracudas und ein paar böse Haie tummeln, aber keine Menschen. Nicht zu dieser Zeit jedenfalls.«
    Susan starrt ihn fassungslos an, während sie noch immer mit dem ausgestreckten Arm nach draußen auf das Meer deutet. Sie will gerade zu einem weiteren Versuch ansetzen, den überheblichen Alten vom Ernst ihrer Entdeckung zu überzeugen, als Joey ergänzt: »… und ein verlassener Jetski!«
    Ernie reagiert sofort.
    »Wo?«
    »Na da!«
    Der alte Mann aus Key West späht in die angegebene Richtung. Tatsächlich dümpelt dort ein Jetski mit Schlagseite in der Brandung. Und für einen kurzen Moment sieht er so etwas wie ein Surfboard aus einem Wellental auftauchen, an das sich zwei Personen klammern.
    Wenn Ernie einmal in Bewegung gerät, dann handelt er schnell und präzise, und deshalb hat das Schlauchboot keine fünf Minuten später die in Seenot geratenen Surfer erreicht.
    Bruce kann die Rettungsleine greifen, die Joey hinausgeschleudert hat, während Ernie den 260 PS Yamaha Außenborder bedient und das graue Schlauchboot behutsam an die beiden heranmanövriert. Die andere Person liegt bäuchlings quer über dem sonderbaren Board. Sie ist sonnenverbrannt, Hautfetzen lösen sich von ihren Schultern, um ihren Kopf ist ein blutiger Verband aus Hirschlederstreifen gewickelt.
    Susan Waves erkennt Steven und schlägt die Hände vor den Mund.
    »Ihn zuerst!«, brüllt Bruce, als Joey ihm eine Hand entgegenstreckt.
    »Lebt er noch?« Joey deutet auf den bewegungslosen Surfer.
    »Ich glaube ja. Jedenfalls klammert er sich mit aller Kraft an das Board. Also, wenn’s keine Totenstarre ist, lebt er noch …«
Bradenton Memorial Hospital
    Der hochgewachsene Mann im weißen Arztkittel betritt den Warteraum, in dem Susan und Ben Waves auf Plastikstühlen sitzen. In der gegenüberliegenden Ecke hockt Bruce, in eine dicke Wolldecke gehüllt. Auf dem Tischchen mit Zeitschriften vor ihm dampft ein Tee. Er weigert sich, nach Hause zu gehen, obwohl er seine Augen kaum mehr offen halten kann. Stevens Mutter, die eigentlich vor Jahren das Rauchen aufgegeben hat, drückt gerade ihre fünfte Zigarette in den inzwischen übervollen Aschenbecher. Selbst Ben Waves blättert nervös in einer abgegriffenen Times vom letzten Jahr.
    »Mrs Waves, Mr Waves«, beginnt der Arzt, »die gute Nachricht zuerst: Er wird überleben. Bezüglich seiner …«
    »Was heißt das, die gute Nachricht zuerst? Entweder er wird gesund oder nicht!«, poltert Waves.
    Der Arzt holt tief Luft, bevor er mit einem gezwungen höflichen Lächeln erwidert: »Mr Waves, ich kann Ihre Ungeduld verstehen, aber lassen Sie mich doch bitte einfach ausreden. Also: Wir wissen noch nicht, wie sich Stevens Verletzungen entwickeln werden. Das heißt, sein Fuß ist lediglich entzündet, eine nicht verheilte kleinere Wunde. Auch ist sein Körper von Stichen und Bissen verschiedenster Insekten übersät, die teilweise eitern. Seine Haut ist von starker Sonneneinstrahlung gezeichnet …«
    »Bitte, spannen Sie uns nicht auf die Folter! Wie geht es seinem Auge?«, unterbricht ihn nun Susan Waves.
    »Das Auge, ja. Also … wir können es noch nicht sagen. Es wurde mit primitiven Mitteln behandelt. Wir habeneine Analyse der Reste einer Art Paste gemacht und bereits ein erstes Ergebnis, das allerdings noch von einem Fachlabor bestätigt werden muss. Ich mache es kurz: Das Zeug könnte das Leben ihres Sohnes gerettet haben. Die Paste besteht aus verschiedenen rein pflanzlichen Zutaten mit stark desinfizierender Wirkung. Die Mischung ist uns teilweise beziehungsweise in ähnlicher Weise bekannt, und zwar von den Naturvölkern
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