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Moon

Moon

Titel: Moon
Autoren: James Herbert
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ließen sich von der kühlen Südost-Brise abschrecken. Ein üppiges Gewirr aus Grün ergoß sich über die Klippen, floß über steile Hänge herab und wurde schließlich von einer kahlen Steilwand am Fuße des Abhangs gestoppt, die wie ein Granitsaum von tosenden Fluten umspielt wurde. Frühe Maiblumen sprenkelten das frische Grün mit Blau, Weiß und Gelb. Ein winziger Wasserfall schäumte in der Nähe, und die Strömung schlängelte sich durch Kies und an größeren Steinen vorbei und löste sich im Meer geräuschlos auf. Weiter draußen tänzelten kleine Fischerboote, vor allem Dingis, leicht auf dem schiefergrauen Meer; Halteleinen streckten sich wie
    graue Spinnenfäden zu einer Anlegestelle auf der anderen Seite des Meeresarms. Zu dieser Anlegestelle gelangte man über einen schmalen Pfad, der vom eigentlichen Strand durch eine wirre Anhäufung von Felsbrocken getrennt war. Das Mädchen bemerkte, daß ein oder zwei Gesichter in ihre Richtung gewandt waren; drüben, auf der Mauer am Kai, war man offensichtlich besorgt über den Vorfall. Sie gab ihnen Zeichen, daß alles in Ordnung war, und sie wandten sich ab. Childes stemmte sich in eine sitzende Stellung hoch, legte die Handgelenke über die emporragenden Knie und neigte den Kopf nach vorn. Er zitterte noch immer.
    »Du hast mir Angst eingejagt, Jon«, sagte das Mädchen und kniete sich vor ihn.
    Er sah sie an, und sein Gesicht war bleich. Er wischte sich mit einer Hand über die Augen, als versuchte er, eine Erinnerung abzutun.
    »Danke, daß du mich herausgezogen hast«, murmelte er schließlich.
    Sie beugte sich vor und küßte seine Wange, dann seine Schulter. In ihren Augen standen die Fragen: »Was ist da draußen passiert?«
    Er zuckte zusammen, und sie begriff, wie kalt ihm war. »Ich hole die Decke«, verkündete sie und stand bereits.
    Sie schien die harten Kieselsteine unter ihren Fußsohlen gar nicht zu spüren, als sie zu dem Haufen aus Kleidern und Taschen hinübereilte, der auf einem kleinen Plateau weiter oben am Strand lag. Sie zerrte eine Decke aus einer Reisetasche, und Childes beobachtete ihre geschmeidige Gestalt und war dankbar für ihre Gegenwart - nicht nur, weil sie ihn aus dem Meer gefischt hatte, sondern weil sie bei ihm war. Er verlagerte seinen Blick und starrte wieder aufs Wasser hinaus; ein leises
    Plätschern war in seinen Ohren; dort, über dem Horizont, hing ein fahler Streifen, Bote des bevorstehenden Sturms,
    Seine Lider schlossen sich, und er schmeckte das Salz in seiner Kehle. Er ließ den Kopf hängen und stöhnte stumm.
    Warum jetzt, nach so langer Zeit?
    Das Gewicht der Decke auf seinen Schultern holte ihn zurück.
    »Trink«, forderte ihn Amy auf und hielt ihm eine flache, silberne Reiseflasche unter die Nase.
    Der Brandy löste das Salz in seinem Innern auf, und er genoß die plötzliche Wärme in seinem Magen. Er hob einen Arm, und sie kam zu ihm unter die Decke.
    »Bist du okay?« fragte sie und kuschelte sich an ihn.
    Er nickte, aber das Zittern hatte noch immer nicht aufgehört.
    »Ich habe dir deine Brille mitgebracht.«
    Er nahm sie, setzte sie auf. Die scharf gestellte Welt hat nichts an Realität gewonnen.
    Als er sprach, war seine Stimme brüchig.
    »Es geht wieder los«, sagte er.

»Morgen?« fragte er.
    Amy schüttelte den Kopf. »Daddy hat Gäste - den ganzen Tag.« Sie rollte mit den Augen. »Ich habe Dienst.«
    »Geschäfte?«
    »Hm. Potentielle Investoren aus Lyon. Er hat sie übers Wochenende eingeladen, aber Gott sei Dank klappt es bei ihnen nur am Sonntag. Am Montag nachmittag fliegen sie wieder zurück, nachdem sie die Firma besichtigt haben. Er ist enttäuscht - er wollte die Insel auch noch vorzeigen.«
    Paul Sebire, Amys Vater, war Direktor von Jacarte International, einer mächtigen Investment-Gesellschaft mit Sitz auf der vor der Küste gelegenen Insel... einem Steuerparadies sowohl für gewisse Herrschaften auf dem europäischen Kontinent als auch dem britischen Festland. Obwohl überwiegend britisch, lag die Insel geographisch doch näher bei Frankreich.
    »Schade«, bedauerte Childes.
    »Tut mir leid, Jon.« Sie beugte sich wieder in den Wagen hinein und küßte ihn, und ihre Haare (die jetzt zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden waren) schlängelten sich um ihren Hals und streiften seine Brust.
    Er erwiderte ihren Kuß, und er genoß den Geruch des Meeres an ihr, das Salz auf ihren Lippen.
    »Spannt er eigentlich nie aus?« fragte er.
    »Für ihn ist das Ausspannen. Ich hätte dafür
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