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Monster

Monster

Titel: Monster
Autoren: Jonathan Kellerman
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Wahnvorstellungen erkennen lassen, ist weder vor noch nach dem Massaker durch gewalttätige Akte aufgefallen. Er ist geistig zurückgeblieben, leidet unter fortgeschrittener Schizophrenie, organischen Hirnschädigungen und alkoholbedingter Demenz. Crimmins hat ihn eine zuckende Fleischmarionette genannt, und haargenau das ist er auch von Anfang an gewesen. Derrick und Cliff haben ihn betrunken gemacht und sich seine Schuhe ausgeliehen - das war möglich, obwohl sie viel größer waren als er, weil er so riesige Füße hat. Dann ist einer von ihnen oder alle beide durch das Haus marschiert und hat mit dem Baseballschläger und dem Messer gewütet. Wenn sie zu zweit waren, hätte das die Angelegenheit erleichtert, weil dadurch alles schneller ging. Die Abdrücke von den Turnschuhen deuteten ohnehin auf Peake, und außerdem führten sie noch zu seiner Hütte. Und wieso sollte man bei derart erdrückenden Beweisen noch weitere Nachforschungen anstellen? Außerdem vergiss nicht, wer die Ermittlungen geleitet hat: Jacob Haas, ein Teilzeitpolizist ohne die geringste Erfahrung mit Mordfällen. Anschließend kam dann das FBI und hat das Täterprofil den Gegebenheiten angepasst.«
    Milo goss sich zweimal nach.
    »Und noch was«, sagte ich. »In der Nacht in den Bergen, als Peakes Hand mit Klebestreifen an der Pistole festgemacht war, wurde er von ziemlich heftigen tardiven Symptomen geschüttelt. So stark, dass man nicht erstaunt gewesen wäre, wenn er rein zufällig den Abzug gedrückt hätte. Hat er aber nicht. Und ich schwöre dir, es gab Momente, da sah er für mich so aus, als würde er sich wehren. Sich mit aller Gewalt zusammenreißen.«
    Milo schob sein Glas von sich. Er kippelte ein wenig auf seinem Hocker und blickte starr geradeaus.
    »Jetzt ist er mit einem Mal ein Held?«
    »Nenne es, wie du willst.«
    Noch ein Schluck. »Und was willst du in der Sache unternehmen?«
    »Was soll ich machen? Wie du gesagt hast, es gibt keine Beweise. Und wie man’s auch dreht oder wendet, Peake gehört in eine geschlossene Anstalt. So gesehen ist er in Starkweather genauso gut aufgehoben wie irgendwo anders.«
    »In Starkweather nach dem Abgang von Swig«, sagte er. »Soweit ich gehört habe, hat sein Onkel ihm eine andere Stelle besorgt.«
    »Swig war ein mittelmäßiger Mann, der versucht hat, einen Job zu machen, für den man fast schon zaubern können muss. Es gibt nun mal keine einfachen Lösungen.«
    »Also bleibt Peake, wo er ist.«
    »Genau das.«
    »Und du kommst damit klar?«
    »Hab ich denn eine Wahl?«, sagte ich. »Mal angenommen, ich würde einen Aufstand anzetteln und ihn irgendwie da rausholen - irgendwann würde garantiert irgendein Menschheitsbeglücker dafür sorgen, dass er ganz rauskommt, und schon wäre er nichts weiter als ein Penner mit ‘nem Dachschaden. Peake kann nicht selbst für sich sorgen. Es würde keine Woche dauern, und er wäre tot.«
    »Also ist es zu seinem eigenen Besten, wenn wir ihn einsperren.«
    »Genau«, sagte ich und staunte darüber, wie harsch meine Stimme klang. »Wer behauptet denn, das Leben wäre gerecht?« Wieder starrte mich Milo an.
    »Das eine Mal in seiner Zelle«, sagte ich, »als ich Peake auf die Kinder der Ardullos angesprochen habe und er angefangen hat zu heulen - da habe ich ihm Unrecht getan. Ich dachte, es wäre Selbstmitleid, aber er empfand echten Schmerz. Nicht nur darüber, dass man ihm die Schuld gab, sondern darüber, was passiert war. Vielleicht hat er Ciaire gegenüber davon etwas offenbart, und das war der Grund, warum sie sich mit ihm auseinander gesetzt hat. Kann aber auch sein, dass sie nie etwas davon mitbekommen hat. Aber es war echt, da bin ich mir ganz sicher. Und gleich danach ist er dann aufgesprungen und hat die Kreuzigungspose eingenommen. Er sagte mir damit, dass er ein Märtyrer war, der für die Sünden von jemand anderem zu leiden hatte. Es war kein Selbstmitleid. Er hatte sich in sein Schicksal gefügt.«
    »Er >sagte< dir«, sagte Milo. »Jemand, der geistig schwerstens behindert ist. Und du glaubst, es lohnt sich, auf so jemanden zu hören?«
    »Aber sicher«, sagte ich. »Es lohnt sich immer zuzuhören.«
    Wir saßen eine lange Zeit schweigend da. Statt Jimmy Buffet lief nun jemand anders, aber ich konnte nicht sagen, wer.
    Ich warf ein paar Scheine auf die Bar. »Komm, wir gehen.«
    Milo hievte sich mühsam von seinem Hocker. »Gehst du ihn mal besuchen?«
    »Gut möglich«, sagte ich.

Buch
    Der Psychologe Dr. Alex Delaware arbeitet mit
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