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Mondlicht steht dir gut

Mondlicht steht dir gut

Titel: Mondlicht steht dir gut
Autoren: Mary Higgins Clark
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mal jemand zu mir gesagt, wenn du über sechzig bist, fängst du an, deinen Freunden Lebewohl zu sagen, oder sie sagen dir Lebewohl, aber wenn du dann in die Siebziger kommst, dann passiert es die ganze Zeit. Du kannst mir glauben, es stimmt. Ich hab in letzter Zeit eine Reihe guter Freunde verloren, und jeder neue Verlust tut noch etwas mehr weh als der davor. Es wird allmählich ein bißchen einsam in Newport, aber dort gibt es eine wunderschöne Wohnanlage – ich hasse das Wort Altersheim –, und ich habe ins Auge gefaßt, mich bald dort niederzulassen. Eine Wohnung von der Art, wie ich sie dort haben möchte, ist gerade frei geworden.«
Dann, als der Kellner ihnen Espresso einschenkte, sagte sie eindringlich: »Maggie, komm mich doch besuchen, bitte. Es ist bloß eine Drei-Stunden-Fahrt von New York aus.«
»Liebend gern«, antwortete Maggie.
»Meinst du das ernst?«
»Ganz bestimmt. Jetzt, wo ich dich wiedergefunden habe, werd ich dich nicht wieder entwischen lassen. Außerdem hatte ich schon immer dran gedacht, gelegentlich mal nach Newport zu fahren. Wie ich höre, ist es ein Paradies für Fotografen. Wenn ich’s mir genau überlege –«
Sie wollte Nuala gerade erzählen, daß sie ihren Kalender von der nächsten Woche ab freigeräumt hatte, um Zeit für einen dringend notwendigen Urlaub zu haben, als sie jemanden sagen hörte: »Dachte ich mir doch, daß ich euch hier finde.«
Verblüfft blickte Maggie auf. Neben ihnen ragten Liam und sein Vetter Earl Bateman hoch. »Du bist mir davongelaufen«, sagte Liam vorwurfsvoll.
Earl beugte sich herab, um Nuala einen Kuß zu geben.
»Du hast dir ganz schön was eingehandelt, weil du ihm sein Mädchen entführt hast. Woher kennt ihr beide euch überhaupt?«
»Das ist eine lange Geschichte.« Nuala lächelte. »Earl wohnt auch in Newport«, erklärte sie Maggie. »Er lehrt Anthropologie am Hutchinson College in Providence.«
Ich hatte recht mit dem Aussehen eines Gelehrten, dachte Maggie.
Liam zog einen Stuhl von einem Nachbartisch heran und nahm Platz. »Ihr müßt uns erlauben, einen Digestif mit euch zu trinken.« Er lächelte Earl an. »Und macht euch keine Sorgen wegen Earl. Er ist seltsam, aber er ist harmlos. Sein Zweig der Familie ist schon seit über hundert Jahren im Bestattungswesen tätig. Sie begraben Leute. Er gräbt sie aus! Er ist ein Grabplünderer. Er verdient sogar Geld damit, darüber zu reden.«
Maggie hob die Augenbrauen, während die anderen lachten.
»Ich halte Vorlesungen über Bestattungsbräuche einst und jetzt«, erklärte Earl Bateman mit dem Anflug eines Lächelns.
»Manche finden das vielleicht makaber, aber ich liebe es.«

FREITAG, 27. SEPTEMBER

2
    Er schritt zügig den Cliff Walk entlang, die Haare zerzaust von der steifen Brise, die im Lauf des Spätnachmittags aufgekommen war. Die Sonne war zur Mittagszeit wunderbar warm gewesen, doch jetzt waren ihre schräg einfallenden Strahlen wirkungslos gegen den kühlen Wind. Er hatte den Eindruck, daß die Luftveränderung den Wandel in seiner eigenen Stimmung reflektierte.
    Bis jetzt hatte er seinen Plan erfolgreich durchziehen können, doch nun, da Nualas Einladung zum Abendessen in nur zwei Stunden bevorstand, überkam ihn mit einemmal eine Vorahnung. Nuala hatte Verdacht geschöpft und würde sich ihrer Stieftochter anvertrauen. Alles konnte aus den Fugen geraten.
    Die Touristen hatten Newport noch nicht verlassen. Es gab sie sogar im Überfluß, Tagesreisende der Nachsaison, die darauf erpicht waren, die alten Herrenhäuser, die von der Preservation Society in Schuß gehalten wurden, abzuklappern und die Überbleibsel eines vergangenen Zeitalters anzugaffen, bevor die meisten davon bis zum nächsten Frühjahr geschlossen wurden.
    Tief in Gedanken versunken blieb er stehen, als er zum Breakers kam, zu diesem unschlagbar protzigen Juwel, diesem amerikanischen Palast, diesem atemberaubenden Beispiel dafür, was Geld und Einbildungskraft und unermüdlicher Ehrgeiz zu erzielen vermochten. Für Cornelius Vanderbilt II und seine Frau Alice Anfang der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts erbaut, erfreute das Herrenhaus Vanderbilt selbst nur für kurze Zeit. Nachdem ihn ein Schlaganfall im Jahr 1895 gelähmt hatte, starb er 1899.
    Während er noch für eine kleine Weile vor dem Breakers verweilte, lächelte er. Vanderbilts Geschichte war es gewesen, die ihn auf diese Idee gebracht hatte.
    Jetzt aber mußte er rasch handeln. Er nahm wieder sein altes Tempo auf und kam nun an der Salve
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