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Mondlicht steht dir gut

Mondlicht steht dir gut

Titel: Mondlicht steht dir gut
Autoren: Mary Higgins Clark
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Sie war wahrhaftig allein. Sie versuchte zu schreien, aber es kam kein Ton hervor. Fieberhaft zog sie an der Schnur, horchte angestrengt in der Hoffnung, einen schwachen Klingelton oben über ihr zu hören. Aber es herrschte völlige Stille. Dunkelheit und Stille.
Sie mußte Ruhe bewahren. Sie mußte ihre Gedanken ordnen. Wie war sie hierher gekommen? Sie durfte sich nicht von Panik übermannen lassen. Aber wie nur? … Wie? …
Dann fiel es ihr wieder ein. Das Bestattungsmuseum. Sie war allein dorthin zurückgekehrt. Dann hatte sie die Suche aufgenommen, die Suche, mit der Nuala begonnen hatte. Dann war er aufgetaucht und …
O Gott! Sie war lebendig begraben! Sie trommelte mit den Fäusten gegen den Sargdeckel, aber selbst hier im Inneren dämpfte der dicke Satinstoff das Geräusch ab. Schließlich schrie sie. Schrie, bis sie heiser wurde, schrie, bis sie nicht mehr schreien konnte. Und noch immer war sie allein.
Die Glocke. Sie zerrte an der Schnur … wieder … und wieder. Ganz sicher gab sie Töne von sich. Sie selbst konnte es zwar nicht läuten hören, aber irgend jemand würde es doch hören. Mußte es einfach hören!
Über ihr schimmerte ein Hügel frisch aufgeschütteter Erde im Licht des Vollmonds. Die einzige Bewegung rührte von der Bronzeglocke her, die an einem aus dem Erdhügel ragenden Rohr befestigt war: Die Glocke schwang im unsteten Rhythmus eines Todestanzes hin und her. Rundum blieb alles still. Der Klöppel war entfernt worden.

FREITAG, 20. SEPTEMBER

1
    Ich hasse Cocktailempfänge, dachte Maggie resigniert und fragte sich, weshalb sie sich immer wie ein Mensch von einem anderen Stern vorkam, wenn sie bei so einer Party war. Eigentlich bin ich zu hart, dachte sie. In Wahrheit hasse ich Cocktailempfänge, wo der einzige Mensch, den ich kenne, der ist, mit dem ich dort hingehe und der mich im Stich läßt, sobald wir zur Tür reinkommen.
    Sie schaute sich in dem großen Raum um und seufzte. Als Liam Moore Payne sie zu diesem Familientreffen des Moore-Clans eingeladen hatte, hätte sie sich eigentlich denken müssen, daß er eher daran interessiert sein würde, Zeit mit seinen Dutzenden von Verwandten zu verbringen, als sich groß um sie zu kümmern. Mit Liam ging sie manchmal aus, wenn er von Boston zu Besuch kam, und normalerweise war er sehr aufmerksam, doch an diesem Abend setzte er offenbar grenzenloses Vertrauen in ihre Fähigkeit, allein zurechtzukommen. Nun ja, es waren eine Menge Leute da, überlegte sie; da konnte sie doch sicher einen Gesprächspartner finden.
    Das, was Liam ihr über die Moores erzählt hatte, war ja der ausschlaggebende Faktor bei ihrer Entscheidung gewesen, ihn zu der Veranstaltung zu begleiten, hielt sie sich vor Augen, während sie einen Schluck Weißwein trank und sich einen Weg durch die Menschenmenge im Grill Room des an der Zweiundfünfzigsten Straße Ost gelegenen Four Seasons Restaurant in Manhattan bahnte. Der Gründervater der Familie – oder doch der Begründer des ursprünglichen Familienvermögens – war der inzwischen verstorbene Squire Desmond Moore gewesen, einst ein fester Bestandteil der besten Kreise von Newport. Der Anlaß zu diesem festlichen Familientreffen war die Feier des hundertfünfzehnten Geburtstages des bedeutenden Mannes. Der Einfachheit halber hatte man sich dazu entschlossen, die Veranstaltung lieber in New York anstatt in Newport abzuhalten.
    Liam hatte über viele Familienmitglieder amüsante Details zum besten gegeben, als er ihr klarmachte, mehr als einhundert aus direkter Linie und von Seitenzweigen abstammende Nachkommen würden nebst einigen geschätzten ehemals angeheirateten Verwandten anwesend sein. Er hatte Maggie mit Anekdoten über den damals fünfzehnjährigen Einwanderer aus Dingle ergötzt, der sich nicht etwa als einer der Geknechteten verstand, die es nach Freiheit, sondern als einer der an den Bettelstab Gebrachten, die es nach Reichtum dürstete. Der Legende nach hatte Squire, als sein Schiff die Freiheitsstatue passierte, den anderen Zwischendeckpassagieren verkündet: »In Null Komma nichts werd ich so reich sein, daß ich das alte Mädchen kaufen kann, natürlich nur, falls die Regierung je beschließt, sie zu verkaufen.« Liam hatte die Erklärung seines Ahnherrn mit einem wunderbar breiten, typisch irischen Akzent vorgetragen.
    Die Moores traten wirklich in allen Größen und Formen auf, dachte Maggie, während sie sich in dem Raum umsah. Sie beobachtete zwei Gäste in den Achtzigern, wie sie sich angeregt
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