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Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Titel: Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten
Autoren: Martin Horvath
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Akzent aus dem schönen Castrop-Rauxel, der Mann mit dem wohlklingenden Namen Odo Enkel. Wessen Enkel, könnte man natürlich fragen, doch anstatt genealogische Forschungen zu betreiben, nenne ich ihn lieber Edo Onkel oder Onkel Edo oder einfach nur Onkel. Mittlerweile nennen ihn sogar seine Arbeitskollegen so: Da müssen wir den Onkel fragen, sagen sie, Wann kommt der Onkel, wird gefragt, und manchmal heißt es auch: Wenn das der Onkel wüsste …
    Im Wohnzimmer hängen Amal und Kamal vor dem Fernseher, Adolphe hockt vor dem Computer und ist dabei, sich in den Weiten des WeWeWe zu verlieren, und unser Zivildiener, mit dem wir tatsächlich ziemlich bedient sind, versucht auf den beiden anderen Computern neue Software zu installieren, o weh weh weh! Alle anderen dürften entweder ausgeflogen sein oder sich auf ihre Zimmer zurückgezogen haben.
    Als ich an der Waschküche vorbeikomme, dringen verdächtige Geräusche an mein Ohr. Hallo, Ali, grüßt Nino, als ich einen Blick hineinwerfe. Hallo, Rotkäppchen, antworte ich auf Georgisch. Dann bist du wohl der Böse Wolf, grinst sie mich an. Vor Nino Bakuradze aus dem beschaulichen Georgien muss man sich übrigens in Acht oder besser Neun oder Zehn nehmen, sie ist gefährliche fünfzehn, und wenn Mira nicht wäre, dann könnte ich für nichts garantieren … Ein bisschen sehr lasziv ist dieser Blick, den sie mir zuwirft, man sollte das verbieten in diesem Alter, doch meine ganze Liebe und Lust gilt ja Mira, Mira und sonst keiner anderen auf dieser Welt, deshalb lässt mich dieser Blick völlig kalt. Jedoch, obwohl, obschon, dieses rot gelockte Zausehaar, und da, da recken sich mir doch tatsächlich zwei Knospen unter dem T-Shirt entgegen, begrüßen mich, wollen die Hülle sprengen, aus meiner Hose winkt es zurück mit dem Zaunpfahl, auch hier herrscht mit einem Mal großer Befreiungsdrang, der Körper lügt nicht, was soll man da machen, wenn das Über-Es will, dann ist das Ich vollkommen machtlos. Du hast hoffentlich nicht zu viel Waschpulver verwendet, mein Schatz, erkundige ich mich. Nino holt gerade ihre Wäsche aus dem Trockner und faltet sie zusammen, nicht gerade mit großer Sorgfalt wird hier gefaltet, muss ich feststellen. Ich bin ja nicht Kamal, gibt sie grinsend zurück. Das Kameljunge hat nämlich in der Vorwoche die Waschküche unter Schaum gesetzt: Waschpulver macht die Wäsche sauber, viel Waschpulver macht viel sauber, so dachte er wohl, sofern man das Denken nennen kann. Laut Hans Pogatschnigg gab es schon eine ganze Reihe solcher Überschwemmungen hier, oder vielmehr Überschäumungen, und obwohl man allen Neuen einschärft, ja nicht zu viel Waschmittel zu verwenden, schlagen die Schaumschläger immer wieder zu. Aber gut, im Busch gibt es nun einmal kein fließendes Wasser, Ziegenhirten und Kameltreiber haben keine Waschmaschinen, sie können ja nichts dafür. Jaja, Mira, ich höre schon auf, über Ziegenhirten und Kameltreiber zu schimpfen, ist ja schon gut, mein Täubchen.
    Nino, die Schaumgeborene, zieht derweilen ein Kleidungsstück nach dem anderen aus dem Trockner – T-Shirts, eine Hose, einen Pullover –, und dann zaubert sie plötzlich weiße Höschen hervor, es folgen gelbe Höschen, rosarote Höschen, weiße Söckchen, rote Söckchen, ein BH-chen und noch mehr weiße Höschen – – – ach, Mira, rette mich, ich bin verloren! Kann ich dir helfen, frage ich. Wobei, will sie wissen und wirft mir einen amüsierten Blick zu, und obwohl sie kleiner ist als ich, gelingt es ihr, diesen Blick von sehr weit oben herabzuwerfen. O, diese Selbstsicherheit, woher nimmt Fräulein Schaumgeburt bloß diese Sicherheit? In ihrem Alter sollte man das verbieten, in ihrem Alter ist das nicht normal, ich werde Mira oder einem der anderen Betreuer sagen, dass Nino dringend psychologische Betreuung braucht, ja, das werde ich tun. Nino, sage ich, erzähl mir von Georgien, erzähl’ aus deinem Leben, zwar weiß ich viel, doch möcht’ ich alles wissen. In Georgien ist Nino ein Frauenname, erklärt sie mir. Das weiß ich, unterbreche ich sie ungeduldig, und weiter? Sie wendet den Blick ab und faltet das letzte Wäschestück zusammen, schweigend und mit konzentrierten Bewegungen. Ich war eine Heilige, früher, in Georgien, sagt sie schließlich und blickt mir ernst und würdevoll in die Augen. Ich suche nach einer Antwort. Kennst du nicht die heilige Nino von Georgien, unsere wichtigste Heilige? Doch, doch, natürlich, kontere ich rasch, aber du, du bist so heilig
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