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Mörderischer Stammbaum

Mörderischer Stammbaum

Titel: Mörderischer Stammbaum
Autoren: Stefan Wolf
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ausgelegt. Und ich bin beauftragt, diese...
diese Ratten der Lüfte totzuschlagen.“
    „Eine Ratte sind höchstens
Sie“, sagte Tim. „Eine fette.“ Er riss ihm den Ausweis aus der Hand.
    Der Mann hieß Helmut Bierröder,
war tatsächlich städtischer Angestellter, bzw. Beamter, und im Range eines
Inspektors.
    Mit spitzen Fingern gab ihm Tim
den Ausweis zurück. „Wenn Sie jetzt glauben, dass ich mich entschuldige, sind
Sie schief gewickelt.“
    „Ich darf eine Entschuldigung
erwarten.“
    „Sie dürfen erwarten, dass Sie
noch eins in die Zähne kriegen, wenn Sie mit diesem Massaker weitermachen. Dann
frühstücken Sie Ihren Schnurrbart mit Ketschup.“
    „Ich tue nur meine Pflicht.“
    „Weihs von oben befohlen wurde,
wie? Ekelhaft! Wie brutal und gefühlsarm muss man denn sein, um so einen
Auftrag auszuführen? Man könnte auch ablehnen und sich auf sein Gewissen
berufen. Sie Beamter! Man könnte sogar Front machen gegen die ganze Aktion.
Aber Ihnen macht das Töten Spaß. Da bin ich mir sicher.“
    „Ich tue nur meine Pflicht“,
beharrte Bierröder. „Verschwinden Sie, bevor ich ausraste!“
    Bierröder bückte sich und
wollte seinen Totschläger aufheben.
    Tim stellte den Fuß darauf.
    „Das Ding bleibt hier!“
    „Das ist städtisches Eigentum.
Ich...“
    „Mann!“, fiel Tim ihm ins Wort
und machte einen Schritt vorwärts.
    Bierröder wich zurück, griff
dann nach dem Segeltuchsack, was Tim zuließ, und entfernte sich im
Rückwärtsgang, erst langsam, dann mit Geradeausschritt im Eiltempo.
    Gaby lehnte sich an Tims
Schulter.
    „Das darf doch nicht wahr
sein“, flüsterte sie. „Vorige Woche, als ich erkältet war, war ich nicht bei
der Versammlung vom Tierschutzverein. Obwohl man alle zusammengetrommelt hat.
Wegen brandheißer Themen. Wahrscheinlich war da... Wahrscheinlich hat man
Proteste formuliert. Aber die Politiker tun ja doch, was sie wollen.“
    Tim legte tröstend beide Arme
um seine Freundin. Mehr konnte er im Moment nicht bieten.
    „Ich entsinne mich“, sagte Karl
und polierte zum dritten Mal seine Nickelbrille. „Es stand in der Zeitung. Der
Beschluss war noch nicht gefasst. Aber das Vorhaben wurde bekannt gegeben. Ja,
die wollen tatsächlich sämtliche Tauben im Stadtgebiet ausrotten.“
    „Weshalb?“, fragte Klößchen.
„Die sind doch nett, hübsch und friedlich. Sie tun niemandem was, und die Omas
füttern sie gern. Ich mag Tauben. Lebend, meine ich. Nicht gebraten.“
    „Aber sie kacken“, sagte Karl.
„Tauben hinterlassen Dreck.“
    „Also, ich auch!“, meinte
Klößchen. „Ich...“
    „Wissen wir!“ sagte Tim. „Wenn
einer diesen Planeten verdreckt und zerstört — dann der Mensch. Nicht die
Taube. Aber die kann sich noch weniger wehren als die Wehrlosen. Ein willkommenes
Opfer.“
    „Ich werde mit Petra reden!“,
rief Gaby.
    „Mit wem?“
    „Petra Delius.“
    „Den Namen hat doch der
Schweinekerl vorhin genannt“, sagte Tim. „Wir würden zu der gehören.“
    „Was die Gesinnung betrifft“,
erklärte seine Freundin, „gehören wir wirklich zu ihr. Petra ist ein neues
Mitglied im Tierschutzverein. Sie setzt sich für die Tauben ein. Und wie! Sie
weiß sicherlich Einzelheiten. Mit ihr müssen wir reden.“
    „Federführend gegen das
friedliche Federvieh“, erklärte Karl, „ist der Stadtrat Kovechluser. Ist ‘n
Bauunternehmer, glaube ich. So ein fetter Sülzkopf, dem nur das Gemeinwohl am
Herzen liegt — angeblich. Damit meint er sein Einkommen. Jedenfalls gehört er
zu denen, die behaupten, dass Taubenkot so ungefähr wie Salzsäure wäre. Bei
Berührung ätzt die Kacke durch bis auf die Knochen, und so wäre es auch bei den
Bauten, bei Mauern und Dächern, bei Hausfronten und Baudenkmälern. Kaum kackt
eine Taube drauf, zerbröselt alles. Das ist sein Argument. Hahahahah!“
    „Das ist nicht zum Lachen“,
rief Gaby.
    „Pfote, ich mach’ doch nur in
Galgenhumor“, beschwichtigte Karl.
    „Jedenfalls werden wir uns
einschalten“, sagte Tim. „Bei dieser Heuchelei sehe ich nicht zu. Artenreichtum
haben wir bald nicht mehr auf unserem Planeten, Artensterben dagegen jede
Menge. Da sollte der Artenschutz auch für die Taube gelten. Gebongt?“
    Zu einer Antwort seiner Freunde
kam es nicht mehr, denn in diesem Moment hörten alle den Schrei — den
gellenden, gleichwohl ziemlich weit entfernten Schrei einer Frau.

4. Der Beißer verliert einen
Zahn
     
    Helga wusste natürlich, dass
die Gegend gefährlich war. Ja, dieser Unhold! Sie hatte von
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