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Mörderischer Stammbaum

Mörderischer Stammbaum

Titel: Mörderischer Stammbaum
Autoren: Stefan Wolf
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ihm in der Zeitung
gelesen. Offenbar ein Psychopath, ein Nervenkranker, beißwütig und beknackt.
Vor dem musste man sich vorsehen. Logo! Aber Helga war Großstädterin, und in
einer Großstadt passiert so manches. Das stumpft ab. Entweder man wird
übervorsichtig oder Leichtsinn wird zum täglichen Begleiter.
    Helga war sportlich. Helga
joggte gern. Mindestens dreimal pro Woche lief sie mittags durch die Grün-Auen
bis hinunter zum Fluss — und dann zurück durch den Belmorte-Park. Satte sechs
Kilometer waren das; und Isabella — die kleine Mischlingshündin — lief voller
Freude mit.
    Helga Hoppenheide war 29,
Übersetzerin für Chinesisch und hübsch. Sie trug einen roten Trainingsanzug und
genoss die wärmenden Strahlen der Mittagssonne.
    Zwei Kilometer waren geschafft.
Schweiß auf dem Rücken. Einsam die Gegend. Weit und breit kein Mensch. Isabella
stöberte Buchfinken auf und Helga lief ihrem Verhängnis entgegen.
    Der Unhold, von der Presse
,Beißer’ getauft, lauerte hinter einem Baum. Ein großer, wuchtiger Kerl war’s —
maskiert mit Strumpfmaske. Die war neu. Die alte Maske war inzwischen
verschwitzt und muffelte. Er hatte sie in die Restmülltonne geworfen, trug
jetzt die neue Maske und hatte vergessen — wie ihm soeben einfiel — den unteren
Rand abzutrennen, damit er zubeißen konnte.
    Hastig riss er die Wolle bis
zur Oberlippe auf. Dann lugte er hinter dem Stamm der Buche hervor.
    Der Baum stand dicht am Weg.
Die Joggerin näherte sich. Sie musste an ihm vorbei. Und er würde sie packen
und... Seine Zähne mahlten aufeinander. In Gedanken spürte er schon, wie sie
sich durch den Stoff in den Arm bohren würden.

    Was für ein Erlebnis!
    Jetzt rannte der Köter an ihm
vorbei, verharrte, schaute her, wedelte freundlich.
    Mistvieh! Köter! Hau ab! Du
verrätst mich.
    Er hörte die Schritte. Noch
einen Blick. Da war sie. Und sie sah ihn. Aber sie konnte nicht mehr ausweichen.
    Ein Sprung. Sie prallte zurück.
Er packte sie hart.
    Gellend schrie sie auf.
    „Neiiiiiiiiiiinnnnnnnn...“
     
    *
     
    Tim sauste los wie von der
Sehne geschnellt. Die Richtung war klar. Der Schrei, der immer noch in der Luft
hing, war für ihn wie ein Wegweiser.
    Eine Frau schrie. Etwa ein
Überfall? Der ,Beißer’? Das wäre ja, dachte der TKKG-Häuptling, als würden alle
Events zusammengelegt. Jetzt und hier, da wir schon mal da sind.
    Er sprintete querbeet.
Natürlich folgten seine Freunde hinterdrein, doch er ist nun mal der
Schnellste, wurde aber in diesem Moment von Oskar überholt, der sich offenbar
losgerissen hatte, denn seine Leine schleifte mit und dem Vierpfoter hing die
Zunge aus dem Maul. War ihm ein Duft in die Nase gestiegen?
    „Oskar!“, brüllte Tim.
    Doch Gabys Liebling preschte
durch die Büsche, hechelnd und winselnd. Im Allgemeinen benimmt er sich so nur,
wenn er verliebt ist.
    Der Schrei war verklungen. Tim
zwängte sich durch Büsche. Die Richtung führte zum Fluss. Jetzt war ein
Schluchzen zu hören. Dann hatte Tim den Weg erreicht und stürzte fast über die
Frau.
    Eine Frau im roten
Jogginganzug. Sie lag am Boden, richtete sich jetzt etwas auf und hielt sich
die Schulter, schmerzverzerrt das Gesicht. Oskar war bei ihr, interessierte
sich aber nicht für die Läuferin, sondern nur für die kleine Mischlingshündin,
die offenbar der Frau gehörte.
    Tin kniete neben ihr.
    „Gestürzt? Oder...“
    „Überfall!“, stieß sie zitternd
hervor. „Ich wurde überfallen. Ein Maskierter. Er... er hat mich in den Arm
gebissen, ins Handgelenk. Wie ein... Raubtier. Das war dieser... Unhold.“
    „Wohin ist er?“
    Tim half ihr auf die Füße und
dachte mehr an Verfolgung als an Erste Hilfe. Denn schwer verletzt war die Frau
offenbar nicht. Außerdem waren Gaby, Karl und Klößchen gleich da.
    „Dort entlang!“ Die Frau wies
auf den Weg Richtung Untermühle, also in südliche Richtung.
    Tim gewahrte noch, wie Oskar
die kleine Hündin mit Hingabe beschnupperte, dann rannte er weiter. Sicherlich
— der ‚Beißer’ hatte Vorsprung. Aber die Verfolgung war nicht aussichtslos.
    „Er ist groß und kräftig“, rief
die Frau, „und maskiert.“
    Eine ziemlich allgemeine
Beschreibung, dachte Tim. Alle Opfer haben ihn so beschrieben. Und dass er
Zähne hat wie ein Wolf. Dieser abartige Mistkerl!
    Büsche, Bäume, eine grüne Lunge
der Großstadt. Die Blätter waren gefallen, das Laub dorrte. Der Geruch feuchter
Erde hing in der Luft. Flussnah war die Landschaft fast undurchdringlich.
Weiden und andere
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