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Mörder Quote

Mörder Quote

Titel: Mörder Quote
Autoren: T Hermanns
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unter dem pinken Chiffon-Nichts war so kompliziert, dass ein Hinsetzen fast nicht möglich war, ohne die Gefahr des Bruchs einzelner Beck’scher Rippen oder des Herausfallens einzelner Brüste. Aber Tanya wäre nicht Tanya gewesen, wenn sie nicht mithilfe eines genau platzierten Klettverschlusses und in Absprache mit der Regie nach ihrem Gang zum Jurypult (für den das Kleid einfach perfekt war!) im Umschnitt auf den Moderator kurz diesen Verschluss lösen konnte. So würde sie sich ans Pult setzen können, ohne dass irgendetwas implodierte oder aufsprang. Dass sie allerdings danach nicht wieder würde aufstehen können, stand auf einem anderen Blatt, aber das war in dieser Show auch nicht vorgesehen.
    »Tanya Schatz, ich hab dich so vermisst!«, sabberte es hinter ihr.
    Ohne hinzusehen, erkannte Tanya an der Alkoholfahne und dem weinerlichen Tonfall sofort ihren Mitjuror, das fröhliche Pitterchen, kölsches Original, Karnevalsgröße und Witzeerzähler, dessen Deftigkeiten und Zoten in der Jury seit Jahren nur getoppt wurden von seinem Wodkaverbrauch und seinem Selbstmitleid. Wie immer war sie fasziniert von seinem Offstage-Gesicht – die Mundwinkel depressiv herunterhängend, der Bauch wabbelig und unförmig über den zu bunten Anzughosen – und dann dem Wechsel, wenn sein Name genannt wurde und er mit breitem Grinsen und aufrechtem Gang seinem Applaus entgegenschritt. Um schließlich – jedes Mal – nach drei Schritten scheinbar über eine Stufe zu stolpern, sich auf den Boden fallen zu lassen und zum ersten Mal (von sehr vielen Malen) am Abend auszurufen: »Isch kann ni mi!« – was dann immer zu noch tosenderem Applaus führte. Zirkus blieb Zirkus, egal in welchem Jahrtausend.
    »Ich habe dich nicht so sehr vermisst, Peter, aber trotzdem schön, dich zu sehen!«, gab Tanya wieder eine Spur zu ehrlich zurück (Achtung, Tanya, es ist erst die erste Show …), während sie Pitterchen mitsamt seinem streng riechenden Atem auf den nötigen Abstand brachte. Warum dachten eigentlich immer alle Männer, dass man Tanya Beck ungefragt auf die Wange küssen dürfte? Na gut, wenn sie die Rocklänge im Spiegel betrachtete, war die Antwort nicht ganz so schwierig. Ein so kurzer Saum war kein Grenzzaun, eher eine Landebahn.
    »Oh, Madame T ist wieder zickig heute«, ertönte es, und Marco Deutz höchstpersönlich stand plötzlich hinter ihr, samt seiner drei Assistentinnen, die ihm Scripte trugen, Wasserflaschen brachten und wahrscheinlich nach jedem Klogang noch den kleinen Marco abwischten. »Länger nicht richtig durchgenudelt worden, liebe Tanya? Oder, Pitterchen, was meinst du?«
    »Marco, isch jrüsse disch!« Das alte Pitterchen kicherte devot.
    »Dir auch einen schönen Abend, Marco«, gab Tanya zurück und zog sich auf ihre alte Königinnen-Strategie zurück. »Wie man bei dir sieht, macht viel Durchnudeln auch nicht charmant!«
    »Und jetzt ist es so weit, liebes Publikum.« Der Warm-Upper erlöste Tanya aus der Warteschleife und von den Sprüchen ihrer Mitjuroren. »Begrüßen Sie nun die drei, auf die Sie alle gewartet haben, das Trio Infernale des deutschen Fernsehens, die drei von der Gag-Tankstelle, die drei Fragezeichen, die keine Fragen offenlassen, die härteste Jury jenseits von Guantanamo …«
    Tanya rollte mit den Augen – der Mann ließ wirklich keine Panne aus.
    »Hier sind Tanya Beck, das Pitterchen und natürlich der einmalige Marco Deutz!« Der Lautstärke-Level im Studio war nun endgültig bei Fliegeralarm angekommen.
    Wie immer hielt Marco ihr scheinbar charmant den schwarzen Abhang auf, durch den sie auftraten. »Denk daran, Madämmchen«, zischte er durch die cool grinsenden Lippen, »vor deinem Namen steht in dieser Show nicht das Wort ›einmalig‹. Schlampen wie dich gibt es jede Menge!« Und damit ging der berühmte Marco Deutz direkt in die Studiomitte, reckte die Arme wie ein siegreicher Boxer, wartete ab, bis Pitterchen gefallen war, half ihm dann scheinbar auf, um ihn dann zur großen Belustigung aller noch einmal fallen zu lassen. »’n Abend, ihr Pfeifen!«, brüllte er in die Menge, während Tanya schnurgerade und lächelnd wie auf einem Laufsteg direkt zum Pult ging und sich dort ihren Applaus abholte. Auf jeden Fall klatscht ihr für das Kleid, dachte sie. Das Kleid klappte. Und natürlich wie immer Sandy und Danny.
    Sie setzte ihr professionellstes Lächeln auf, als die Kamera drei ihr Gesicht im Vorspann exakt bei Sekunde zwölf einfing, abfilmte und dann das rote
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