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Mörder Quote

Mörder Quote

Titel: Mörder Quote
Autoren: T Hermanns
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weiterdiskutieren, die Zuschauer – und vor allem Zuschauerinnen. Welcher Kandidat wie performt hatte, wie wer angekommen war und wer wie aussah. Das würde den Zustrom von Telefonanrufen von Woche zu Woche bestimmen. Diese Fotos waren extrem wichtig. Und die Fotografen wussten das natürlich. Ohne Respekt und Stil brüllten sie die Namen der einzelnen Kandidaten (die sie wenigstens schon kannten, da hatten sie ihre Hausaufgaben gemacht) und welche Pose sie sich von ihnen wünschten. Das Ganze hatte etwas von Viehhändlern bei einer Schweineauktion kombiniert mit notgeilen Matrosen beim Puffbesuch.
    »Lilly, mehr Schmollmund, Mike D, mehr aggro und Ayleen, traurig, weil du bist ja RAUS , aber sexy!« Die Kommandos flogen durch die Luft, und nur eine winzige Kordel, zwei Securityleute und zwei PR -Leute der Sendung hinderten diese Horde von blitzenden Büffeln am Vornüberkippen.
    »Sascha, sexy!« Das war kein Problem für den Robbie Williams des Abends, den Blick hatte er drauf, seit er seine erste Webcam an seinen PC geklebt hatte. »Aber nicht so schwul!« Das war schon weniger einfach. Besonders, weil er fühlte, wie Sebastian neben ihm sich verkrampfte und Lilly sich immer weiter zurücklehnte, um sich aus dem Getöse zurückzuziehen.
    »Xena, meine Kleene, mach mal wat Böses!« Der gröbste und lauteste der Fotografen, offenbar ein Berliner, wagte es, der gotischen Königin der Nacht Kommandos zu geben. Aber überraschenderweise folgte sie dem Befehl, biss auf einmal Sebastian scheinbar ins Ohr, zog hinter Saschas und Lillys Kopf böse Gesichter und schob sich schließlich vor und breitete ihr Samtcape so aus, dass die anderen völlig in den Hintergrund traten. Sascha verschwand sogar fast hinter dem Cape, und als er versuchte, lustig darunter hervorzulugen, rammte ihm diese Addams-Family-Kuh doch wirklich den Ellbogen in seinen Magen. Sebastian blieb hilflos stehen, Lilly nutzte die Chance und verpisste sich genauso schnell wie Mephisto, während die anderen unauffällig versuchten, Xena wieder in ein Gruppenfoto zu bändigen.
    »Det is meine Xena, die jibbt Gas!«, schrie der Berliner und fotografierte nur noch die schwarze Pop-Mamba, bis die auf einmal anscheinend keine Lust mehr hatte und abrauschte. Sascha hatte noch Energie für eine letzte sexy Pose mit Fatima, natürlich nicht zu sexy neben dem Kopftuch, aber weniger schwul, und dann gaben die PR -Leute das Zeichen zum Abgehen und alle trollten sich, während die Fotografen schon ihre Displays kontrollierten.
    Auf der kurzen Aftershow-Party (es war eher ein Wassertrinken im Stehen in der Kandidatengarderobe als eine Party, fand Sascha) wurden neben viel Lob durch Freunde und Verwandte vor allem Taschentücher für Ayleen verteilt und brandneues Merchandising von Marco verschenkt. Pappmasken mit seinen Augen, Stirn und blond gefärbtem Struwwelkopf darauf und einem weiteren seiner Hit-Sprüche » IQ macht auch nicht geil!« auf die Pappstirn gedruckt. Sascha versuchte noch ein paar Sätze mit Sebastian zu wechseln, denn a) war der echt niedlich und b) so schüchtern, dass man ihm kollegial ein bisschen aus dem Quark helfen musste (natürlich nicht zu viel, Konkurrenz blieb Konkurrenz). Und nachdem diese Maskentussi ihn ja nun schon geoutet hatte, war die Zeit vielleicht reif für eine schwule Lovestory hinter den Kulissen der Show, durch die BILD unters Volk gebracht. So à la »Boyliebe im Proberaum«. Obwohl – über Sebastians Orientierung war sich Sascha auch am Ende des Gesprächs nicht sicher – seine Hobbys waren Modellbau (hetero) und Cembalo (schwul). Seine Lieblingsstars Elvis (hetero) und Mariah Carey (schwul, schwul). Und auf Saschas Nachfragen zu Sebastians Liebesleben kam nur ein schüchternes »Ich bin allein« und »Gute Nacht«.
    Sascha sah sich nach den anderen Kandidaten um. Die meisten waren schon weg, Mephisto war natürlich gar nicht auf der Party aufgetaucht, direkt von der Bühne in irgendeine private Hölle verschwunden, und wenn das ein Reihenhaus im Bergischen Land war. Auch Xena hatte sich nicht die Ehre gegeben – vielleicht waren die beiden schwarzen Schafe ja zusammen auf die jeweiligen Besen gestiegen. Lilly war mit ihrer absurden Showmutti (in Mauve!) abgezogen, nachdem sie jedem anderen Kandidaten die Hand gegeben hatte, Ayleen mit ihrer ausfahrbaren Tanzstange und unter Tränen gegangen und Fatima mit Vater, Mutter, Brüdern und Imam davonstolziert und Chantal mit großer Chanel-Brille abgerauscht. Nur Mike D und
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