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Mörder Quote

Mörder Quote

Titel: Mörder Quote
Autoren: T Hermanns
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Lämpchen über dem Objektiv wieder erlosch. Der Verfolgerspot würde die Fältchen am Auge wegblenden, dachte sie, alles war gut. Wie immer klatschte sie betont in die Hände, als der Moderator die Treppe herunterkam. (Der wievielte Moderator dieser Show war das nun eigentlich schon? Der dritte? Der vierte?) Innerlich wünschte sie ihm viel Glück und dass er synchron mit seinem Teleprompter-Fahrer sein möge. Sie hatte hohen Respekt vor diesem versteckten kleinen Mann, der immer den Moderationstext zum Ablesen auf einem Computerbildschirm herunterschob. Er saß weit hinten im Studio in einer abgehängten Ecke und musste sich auf den Moderator und dessen Sprechtempo konzentrieren wie ein Schlangendompteur auf seine Star-Kobra.
    Tanya sprach natürlich ungescripted. Während der Moderator sein Opening ablas und erst sie, dann Pitterchen und schließlich – natürlich länger – Marco begrüßt hatte, sah Tanya kurz auf ihren Notizzettel, der vor ihr auf dem Pult lag. Die Redaktion hatten ihnen die Namen der Kandidaten und die jeweiligen Songs aufgelistet, außerdem gab es Platz für Anmerkungen und Kommentare (unter der bissigen Überschrift des Chefautors: »Pointiert bitte!«). Tanyas Blick fuhr die Namen herab und stockte plötzlich. Jemand hatte den Namen »Xena« mit dickem schwarzem Edding durchgestrichen. War sie ausgefallen? Eben während des Warm-ups hatte Tanya die Pop-Fledermaus in einer schwarzen Kutte noch hinter der Bühne stehen sehen.
    Sie schielte unauffällig auf Pitterchens Zettel – dort war niemand durchgestrichen. Auch bei Marco nicht, der gerade dem Publikum und der Welt die Abstimmungsregeln erklärte.
    Tanya beschlich ein unangenehmes Gefühl. Und das lag nicht nur an dem Zettel und dem durchgestrichenen Namen. Schon seit sie Platz genommen hatte, war es ihr so vorgekommen, als ob jemand sie fortwährend mit Blicken durchbohren würde. Jemand im Publikum. Sie kannte dieses Gefühl von Studiobesuchen von Verwandten oder Freunden – es war ungewöhnlich, aber sie konnte aus den vielen Menschen immer herausfühlen, wenn jemand nur sie lange ansah und nicht einfach der Show folgte.
    Als der Schnitt den Moderator in Großaufnahme hatte, weil er die Kandidaten ansagte, drehte sie sich schnell auf ihrem Drehstuhl halb um zum Publikum. Sie sah nur Pappschilder – »Sebastian, gib alles!« oder »Chantal – simply wow!« – das waren die Fangruppen zweier Kandidaten, die direkt hinter ihr saßen. Mittendrin: ein einzelner, gut aussehender männlicher Lockenkopf, Mitte 20, der sie anlächelte. Als sie einen Moment zu lange in seine Richtung sah, strahlte er auf einmal wie ein Honigkuchenpferd und hielt ganz schnell ein Blatt Papier hoch, abgerissen wie aus dem Ringbuch eines Studenten (was er wahrscheinlich war). Mit Edding stand da und fast noch mit Kinderschrift gekrakelt: TANYA 4 EVER ! Und darunter: ICH BIN NILS ! und ein schwarzer Pfeil, der auf den immer noch grinsenden Zettelhalter deutete. Offensichtlich ein fröhlicher Fan mit wenig Geld für einen echten Pappkarton, aber wenigstens nicht wie sonst ein 17-jähriges Mädchen, das später mal sein wollte wie sie.
    War er es, den sie spürte? Aber das Gefühl war negativ, nicht positiv. Sie beschloss, dem Lockenkopf trotzdem freundlich huldvoll zuzulächeln – und er drehte doch tatsächlich den Zettel um, und auf der Rückseite stand eine Handynummer. Aus Tanyas Lächeln wurde ein Grinsen. Das war schon wieder süß in seiner Unverfrorenheit. Sie drehte sich um. Das ungute Gefühl in ihrer Magengegend war verschwunden.
    »Und hier sind sie – unsere Kandidaten!«, brüllte der Moderator, als würde er gerade den neuen amerikanischen Präsidenten verkünden.
    Tanya nahm ihren Stift, unterpunktete den Namen Xena wie beim Diktat in der Schule und setzte wieder ihr professionelles Strahlen auf. Die Gladiatoren betraten die Arena.

KAPITEL 5
    Sascha sprang jubelnd in die Höhe, als der Moderator am Ende der Sendung endlich seinen Namen sagte. Er war sich eigentlich sicher gewesen, wirklich sicher, denn bei Robbie Williams »Feel« konnte nichts schiefgehen. Das war sein Mottosong. Er hatte ihn jahrelang bei jeder Karaoke-Party, jedem Klassenfest und auch bei seinen ersten Profi-Auftritten mit der Popschlagerband gesungen. Jede Note saß. Und trotzdem hatte er gezittert, während er zum ersten Mal bei der Verkündung des Telefon-Votings stand, wie seine neun Mitkandidaten den Kopf leicht gebeugt, angespannt. In der ersten Show rauszufliegen
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