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Mörder Quote

Mörder Quote

Titel: Mörder Quote
Autoren: T Hermanns
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davor, sich aufzuspulen, aber als er Uwes Gesicht im Spiegel sah, verstummte er. Und auch Sascha, Ayleen und Lilly konnten von ihren Plätzen aus den Satz lesen, den Uwes Lippen im Spiegel formten: »Pass auf, du Schwuchtel, sonst bist du tot.«

KAPITEL 4
    Eine halbe Stunde später stand Sascha zum ersten Mal in den Kulissen des riesigen Studios und beobachtete jedes Detail, als ob sein Leben davon abhängen würde. Hinter einem schwarzen Vorhang gab es ein Warteareal für die Kandidaten, und durch ein kleines ausgerissenes Guckloch im Stoff beobachtete er die sogenannte »Pre-Show«, also die Vorbereitung der Sendung.
    Das riesige Studio war rappelvoll, über 800 Zuschauer plus Crew. Ausverkauft. Diese Karten waren äußerst beliebt. Diese Show war äußerst beliebt. Und er war mittendrin.
    Sascha war neben seiner inneren Popdiva durchaus auch Kerl genug, um Fan technischer Abläufe zu sein. Er beobachtete fasziniert, wie gerade ein Kameramann mit einer ziemlich großen Kamera in einem Gestell auf der Schulter um ein Stehpult rasante Kreise zog. Ein anderer Typ führte ihn, damit er nicht von der Bühne fiel oder in andere Kameras hineinknallte. Das Ganze hatte etwas von einer Tanzchoreografie. Oder von Kinderspielplatz, wenn man so wollte, eine Art Blinde Kuh mit Steuermann.
    Auch die Scheinwerfer, die hoch oben über der Bühne montiert waren, begeisterten Sascha. Hunderte von Lampen hingen an verschiedenen Stangen in zehn Metern Höhe, dazu Ventilatoren, Discokugeln in verschiedenen Größen und Meter um Meter Kabel. Es gab Windmaschinen, die eine Art dünnen Nebel durch den Raum schossen, damit so die Streifen aus Licht über dem Geschehen besser sichtbar wurden, die die Scheinwerfer im Rhythmus der Musik abfeuerten. Das hier war keine Provinzdisco, das war Hollywood. Auf dem schwarz glänzenden Boden spiegelte sich das Licht, und gerade in diesem Moment, kurz vor der Show, wischten zehn Putzleute ein letztes Mal über den Boden. Ein hektischer, dicklicher Mann mit weinrotem Jackett sprang ohne Applaus auf die Bühne und riss trotzdem beglückt die Arme hoch. Und am Rand putzte eine Frau kniend dem wartenden Moderator mit einem Lappen die Schuhsohlen, während der seine Karten studierte.
    Sascha konnte es nicht lassen. Er steckte den Kopf weiter durch den Vorhang, um einen Blick auf das Publikum zu werfen. Schon jetzt hielten viele ihre Schilder hoch. Auf einem Schild stand »Sascha, we love you!«.
    Sascha wurde endgültig aufgeregt. Endlich. Es war so weit.
    Tanya stand wie immer perfekt im Timing backstage hinter der Auftrittstür der Jury und beobachtete auf einem Monitor, wie der Warm-Upper das Studiopublikum einpeitschte. Nach all den Jahren in der Branche hatte sie sich trotzdem noch nicht an den immer gleichen Vorgang gewöhnt, wie aus einer Gruppe freundlicher, normaler Studiobesucher in einer Viertelstunde ein Hexenkessel geschmiedet wurde. Mit abwechselnd mauen Scherzen und harten Drohungen wurde dem Publikum dabei klargemacht, was die Fernsehproduktion jenseits des bezahlten Eintritts von ihm erwartete: Harte Arbeit! Völliger Einsatz! Totale Verausgabung! Irgendetwas zwischen drittem Weltkrieg und Marslandung. Und das Ganze noch mit Choreografie: In Wellen wurde aufgestanden, hingesetzt, »spontane« Ovationen geprobt auf verschiedenen Levels. Level 1 »Franz Beckenbauer ist da!«, Level 2 »Der Dalai Lama ist da!!« und Level 3 »Osama bin Laden ist wieder da, und wir zünden seinen Bart an!!!«.
    Der Aufwärmer arbeitete heute Abend zur ersten Sendung besonders hart an dieser speziellen Mischung aus WM -Finale und Reichsparteitag und hatte schon Schweiß auf der Stirn und unter den Achseln vor lauter persönlicher Begeisterung über dieses Ereignis. Denn das war ja diese Sendung ohne Zweifel, dachte Tanya ironisch: ein Ereignis von nationaler Bedeutung! Zehn junge Leute würden Lieder singen, drei Menschen würden etwas dazu sagen, dann würden Menschen anrufen, wobei der Sender an diesen Anrufen jede Menge Geld verdiente, und dann würde ein junger Mensch ausscheiden. Ein einmaliges, unfassbares, nie wiederkehrendes Ereignis – dagegen war das Ende Roms ein privates Grillfest gewesen!
    Tanya winkte die Kostümassistentin weg, die mit einer Fusselbürste an ihr herumgewischt hatte, und warf einen letzten prüfenden Blick in den bodenlangen Spiegel, der von einem der freundlichen Dackel gehalten wurde. Das Kleid der ersten Folge war eigentlich ein Stehkleid, das hieß, die geheime Konstruktion
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