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Mörder Quote

Mörder Quote

Titel: Mörder Quote
Autoren: T Hermanns
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Staffel fand Tanya extrem. Hatte früher ein normaler Therapiefall gereicht, wie zum Beispiel Hans-Jörg aus der dritten Staffel mit der Babypuppen-Sammlung oder Kristina aus der fünften Staffel mit dem Waschzwang, war es den Castingleuten dieses Mal gelungen, »Mephisto« zu finden, einen Mann um die 40, der schon bei den Vorrunden nur mit einer silbernen Teufelsmaske auftrat. Niemand in der Show jenseits der Chefetage kannte seine wahre Identität, und er hatte sogar die Sondererlaubnis erhalten, verkleidet aus dem Nichts direkt zu den Proben und den Liveshows zu kommen.
    Tanya tippte darauf, dass sich unter dem dämonischen Getue ein ganz normaler Michael oder Jürgen verbarg, der sich wichtigmachen wollte, eine Art Castingshow-Sido. Im schlimmsten Fall war es ein Enthüllungsreporter, der die Geheimnisse hinter den Kulissen der Castingshow aufdecken wollte.
    Das wäre wenigstens mal eine Abwechslung, dachte sie und musste grinsen. Günther Wallraff sang als Teufel verkleidet live »Born to be wild«. Jedenfalls konnte es nicht schaden, »Mephisto« ab und zu ein gutes Juryurteil zukommen zu lassen.
    Sie blätterte weiter durch die Papiere. Nun musste sie nur noch die Vornamen der Kandidaten (wie immer hatte niemand in dieser Castingshow einen Nachnamen) zu den Showfunktionen zuordnen. Obwohl – im Kopf der Zuschauer waren inzwischen die »Rollennamen« der Akteure definitiv »echter« als die Namen in den jeweiligen Personalausweisen. Das Finale wäre sicher eher »Die Transe gegen den Rocker« als – und jetzt musste sie doch wieder nachsehen – »Chantal gegen Uwe«.
    Das Publikum liebte die Labels, die die Presse und die Script-Autoren den einzelnen Teilnehmern verpassten und die sie – was sie alle noch nicht wussten, nicht mal die jungen, ach so medienerfahrenen Mitglieder der Twitter- und Facebook-Generation – nie wieder loskriegen würden. In jedem Lokal in Deutschland, Österreich und der Schweiz würde es heißen: »Guck mal, da sitzt der Freak aus MS 3000« oder »Mensch, da geht doch die Schlampe aus MS «.
    Wichtig war: Der Name der Sendung würde dabei immer gesagt werden. Chantal oder Uwe eher selten. Das war der Preis, den die netten jungen Leute für acht Millionen Zuschauer zahlen mussten, und das war die Basis des Erfolgs der Sendung, die Tanya bisher schon zwei Eigentumswohnungen eingebracht hatte. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
    »Schatzi, machst du dich wieder selber?«, schrillte es plötzlich durch die aufgerissene Garderobentür. Tanya hasste es, wenn Leute nicht anklopften. Auch hier in dieser sogenannten » VIP -Garderobe« (die aus der immer gleichen Mischung aus grauem Teppichboden, roten Kunstledersofas, quadratischen Beistelltischen und EINEM Kleiderständer bestand und in die dauernd Leute reinkamen – meistens einer der neuen Dackel mit treuem Blick und der Frage »Brauchen Sie noch etwas?«) erwartete Tanya mindestens das Benehmen ihrer sechsjährigen Nichte: Klopfen, dann ein »Herein« abwarten.
    »Sag mal, Schatzi, hörst du mich nicht, ich hatte dich etwas gefragt!«
    Tanya versuchte einen huldvollen Blick, drehte sich in ihrem Sessel und warf ihn auf Manfred »Mausi« Schmitz, den ewigen und scheinbar unkündbaren Hauptmaskenbildner der Show, der wie immer mit einer seelischen Mischung aus Beyonce und Inge Meysel dramatisch und permanent beleidigt in der Tür lehnte.
    »Ja, Mausi, mache ich«, gab sie knapp zurück und sah an den noch tiefer sinkenden Mundwinkeln in seinem verbrannt braunen Gesicht, dass sie damit ihr sowieso schon angeschlagenes Verhältnis nicht verbessern würde.
    »Dann mach ich aber noch das Finish. Ich muss dich sehen, bevor du rausgehst, das hab ich im Vertrag«, maulte die Diva, gefangen im Körper eines Puderpinsels, und schloss die Tür mit einem zu lauten Klacken, wie auf der Bühne eines Boulevardtheaterstückes. Tanya musste grinsen. Punkt für sie.
    Wenn sie sich jetzt von Mausi hätte schminken lassen, sähe sie aus wie in der allerersten Staffel der Show: wie eine Transe mit zwei überraschend echt aussehenden Brüsten. Apropos – sie schob die Hände unter ihre Brüste, hob sie an und ließ sie wieder sinken. Bei »Sandy und Danny« war noch alles in Ordnung. Sie hatte ihre Brüste selber so getauft, denn: einmal Grease-Fan, immer Grease-Fan! Sie summte »We go together like whop bamalama be bop bam boom«, während sie sich geschickt an einigen Stellen so wieder abschminkte, dass die späteren zu dicken Puderschichten der
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