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Mörder Quote

Mörder Quote

Titel: Mörder Quote
Autoren: T Hermanns
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Medienlandschaft schon Folklore. Seine Dreimillionen-Euro-Jacht, die jedes Jahr nach der Staffel vor Bangkok auslief, hieß im Medien-Volksmund der »Lotus-Pflücker«. Und so gab es auch dieses Jahr wieder eine neue bildschöne, schüchterne junge Frau, die mit Louis-Vuitton-Taschen behängt in zu kurzen Kleidchen durch die Studiogänge irrte und die Schrift der Hinweisschilder nicht lesen konnte. Tanya hatte sie schon am Morgen gesehen, sie hatte das Herrenklo mit dem Produktionsbüro verwechselt.
    »Vielleicht ist sie ja dieses Mal ein Mann – das kommt öfter in Thailand vor …«, frotzelte sie. Langsam machte ihr Peters Besuch Spaß. Denn größer als dessen Angst vor Marco war höchstens noch sein oft erwähnter Ekel vor allen sexuellen Zwischenstufen. Er war bekannt dafür, den schwulen Kandidaten verzweifelt Affären mit weiblichen Kandidatinnen zu verordnen, um so sein Gewissen und seine eigenen Ängste zu beruhigen.
    »Ich glaube nicht, dass sie ein Mann ist«, sagte Peter nachdenklich. »Wäre super gewesen!«
    Tanya warf ihm einen verblüfften Blick zu. Peter war wohl wirklich auf Entzug. »Na, dann bleibt nur noch Pitterchen«, sagte sie. »Da geht doch immer was.«
    Das sogenannte »Pitterchen« war der Dritte im Jurybunde, ein älterer Komiker aus Köln, der für bunte Hemden und hysterische Lachanfälle in der Show bekannt war sowie für seinen Hauptspruch »Isch kann ni mi!« – was so viel hieß wie »Ich halte es nicht mehr aus«.
    »Vielleicht hat er bei einer seiner Tourneen wieder seinen Wagen zersäbelt«, schlug sie vor und bemühte sich um einen konstruktiven Gesichtsausdruck. »Du weißt doch, wer fährt nach einer halben Flasche Wodka immer noch selber nach Hause … das Pitterchen!« Tanya hatte nicht vor, so zynisch zu klingen wie Peter, aber sie wollte ihn jetzt loswerden. Und es klappte.
    De Bruyn stand auf und schlängelte sich zur Tür. »Gut, ich frag ihn. Aber ich sage es dir noch mal, Tanya …« – wie sie diesen Satz hasste – »jede siebte Staffel einer TV -Hit-Show ist schwierig. Es besteht immer die Gefahr, dass es langweilig wird, dass sich die Formel überholt hat. Wir brauchen in dieser Staffel Drama! Ohne Drama keine Quote! Ohne Quote keine dritte Eigentumswohnung. Denk dran, du bist für mich eine Teamplayerin – nicht nur die Titte in der Mitte!«
    Mit diesen Worten verließ der PR -Chef den Raum, ohne die Tür zuzumachen. Tanya stand wütend auf und schloss sie. »Die Titte in der Mitte« – wenn sie Pech hatte, würde das auf ihrem Grabstein stehen.
    Sie setzte sich wieder hin und atmete durch. Eine Staffel noch! Um sich abzulenken, nahm sie wahllos einen Brief aus der Kiste ihrer Fanpost. »Liebe Tanya!« Er war sauber mit dem Computer geschrieben und ausgedruckt. »Vergeben Sie Ihre Stimme richtig! Es hat nur eine Person verdient zu gewinnen. Alle anderen sind hinfällig!«
    Der Brief war weder unterschrieben, noch hatte er eine Adresse. Einen kurzen Moment kam ihr das Wort »hinfällig« komisch vor. Es war eigentlich zu hochtrabend für ihre Fanpost. Aber in dieser Show war Wortwahl auf jeden Fall der geringste exotische Faktor. Tanya legte den Brief weg und warf einen letzten Blick in ihren Spiegel.
    Mehr Drama, dachte sie. Wir brauchen viel mehr Drama!

KAPITEL 3
    Sascha saß nervös in seinem Schminkstuhl im Make-up-Raum, starrte auf die Wand voller Autogrammkarten vor sich (wer oder was war »Captain Jack«?) und wartete auf das Kampfkommando Mausi Schmitz, das neben ihm schon schnaufend zugange war. Nicht nur um seinen Look machte er sich Sorgen – er hatte sich immer selber geschminkt, seit er live auftrat, und wusste genau, was ihm stand und was nicht –, sondern mehr noch ärgerte ihn, dass ausgerechnet dieser ewig betrunkene Stammgast des Rainbow gleich auf ihn einpudern würde. Wie oft hatten er und seine Gang sich schon über diese »alte Kölsch Krähe« mokiert, die immer am gleichen Platz am Tresen thronte, immer hackedicht und immer bösartig. Und wie viele Spitznamen hatten sie ihr schon gegeben – »Alexis Zombie« zum Beispiel oder »Karin Kruger – Freddies hässliche Mutter«. Und nun das: Ausgerechnet Mausi musste an Saschas wichtigstem Karrieremoment mitarbeiten. Dafür oder dagegen, das blieb abzuwarten.
    Im Moment arbeitete er an der »Teufelin«, Gothic-Prinzessin Xena direkt neben Sascha. Das hieß, er rollte die Augen in Richtung der Styropor-Decke und betrachtete das blauschwarz gefärbte Haar mit Abscheu. »Schatzi, das ist
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