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Mörder im Zug

Mörder im Zug

Titel: Mörder im Zug
Autoren: Frank Goyke
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Mann, der ihn anrief, war ein Hauptwachtmeister, dessen Namen er nicht verstand. Umso deutlicher hörte er das Wort, das ihm den Abend verdarb: »Dienststellenalarm!«
    * * *
     
    Rostocks Bahnhofsvorplatz sah aus, als erwarte man zu nächtlicher Stunde eine aufgeputschte Rotte FC-Hansa – Fans. Zwischen den grün- und den blau-weißen Partybussen , wie Marvin die Mannschaftswagen der Polizei zu nennen pflegte, etlichen zivilen Einsatzfahrzeugen mit Weihnachtsbaumschmuck und dem weinroten VW-Bus der Spurensicherung stand ein Kastenwagen der Gerichtsmedizin, neben dessen geöffneter Fahrertür zwei Männer rauchten: Hilfskräfte, die noch nicht dran waren.
    Jonas Uplegger fuhr seinen silberfarbenen Lancia Delta auf den Gehweg und stieg aus. Die Uhr im Giebel des Empfangsgebäudes verriet, dass in 27 Minuten ein neuer Tag begann.
    Uplegger schaute sich um. Viel gab es nicht zu sehen: Die Schaulustigen ließen sich an einer Hand abzählen. Sie standen in der Nähe des längst geschlossenen Kebapstandes, den Marvin Gammelfleisch-Pavillon getauft hatte.
    Zwei Uniformierte der Bundespolizei sorgten dafür, dass die Zuschauer blieben, wo sie waren. Der Bahnhof war allerdings nicht gesperrt, denn noch verkehrten Züge. Wer einen von ihnen benutzen musste, durfte passieren.
    Uplegger schloss seinen Mantel und ging mit entschiedenem Schritt auf die einzige geöffnete Hallentür zu. Er warf einen letzten Blick auf den Vorplatz und wurde eines Taxis gewahr, das sich mit hohem Tempo näherte. Sofort schnürte es ihm die Kehle zu: Seine Frau war auf der Autobahn gestorben, weil ein fahrerflüchtiger Raser sie abgedrängt und sich ihr Wagen überschlagen hatte. Mit quietschenden Reifen kam das Taxi zum Stehen. Als im Inneren Licht anging, entdeckte Uplegger Barbara Riedbiester. Die massige Frau im Fond, in der Dienststelle klammheimlich Dampframme genannt, zahlte, öffnete die Tür und wuchtete ihre Fleischmassen aufs Pflaster.
    Kein Mensch, der auch nur einen Funken Geschmack hatte, kleidete sich wie sie. Der Mantel aus irgendeinem Kaschmir-Imitat saß viel zu knapp, sodass sie ihn offen tragen musste, und seine Farbe, womöglich Anthrazit, hatte etwas Öliges. Barbara trug braune Stiefel und auf dem Kopf eine olivgrüne Strickmütze, unter der langes, strähniges Haar hervorquoll. In Karl Rosenkranz’ Ästhetik des Hässlichen hätte die Dampframme zweifellos ein eigenes Kapitel beanspruchen dürfen.
    Barbara Riedbiester verstaute die Taxiquittung in der Handtasche, in der sie auch ihre Dienstpistole verwahrte, weil ihr das Schulterholster ins Fleisch schnitt. Beim Gehen sah sie aus wie ein Wackelpudding auf Betonpfählen.
    »’n Abend«, sagte sie. Der Wind blähte ihren Mantel und legte ein Kostüm falscher Größe frei. »Was haben wir?«
    »Einen Toten in der S-Bahn«. Uplegger hatte auf der Fahrt mit dem Chef telefoniert, der sich bereits auf dem Bahnhof befand.
    »Oha! Ein Alptraum aller Bahnfahrer ist wahr geworden. Das dürfte sich negativ auf das subjektive Sicherheitsempfinden auswirken …«
    »… das meist in schreiendem Widerspruch zu den Tatsachen steht«, ergänzte Uplegger. »Ein nächtlicher Wald ist vermutlich der sicherste Ort der Welt, weil selbst der dümmste Ganove weiß, dass dort nichts zu holen ist. Und in der S-Bahn gibt es einen Wachschutz.«
    »Sehr beruhigend für unseren Toten.« Barbara stieß mit einer aggressiven Bierfahne auf. »Na, dann wollen wir mal gucken.«
    »Müssen wir wohl«, sagte Uplegger lahm.
    Der S-Bahn-Zug stand auf Gleis eins, und auf dem Bahnsteig hatten sich die üblichen Verdächtigen ausgebreitet. Die Spurensicherung machte sich an einem der Doppelstockwagen zu schaffen, ein paar Uniformierte schauten zu. Trotz des Bahnsteigdaches waren ihre Gesichter nass vom schräg einfallenden Schneeregen.
    Barbara schaute sich kurz um und trat dann auf Helmich und Krüger vom Kriminaldauerdienst zu. Beide sahen verfroren aus.
    »Wohin habt ihr die Zeugen gebracht?«, wollte sie wissen.
    »Die sitzen im Warmen«, sagte Helmich. »Hat die Bundespolizei organisiert.«
    »Wie viele sind es?«
    »Zwei.«
    »Wie bitte?«
    »Vom Personal sowie von 31 Leuten, die hier auf den Zug gewartet haben, um in Richtung Warnemünde zu fahren, haben wir die Personalien aufgenommen und sie dann auf die Straßenbahn verwiesen. Aber mit den Passagieren«, Helmich zuckte mit den Schultern, »da ist etwas schief gelaufen.«
    Barbara wechselte einen raschen Blick mit Uplegger.
    »Was ist schief gelaufen?«,
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