Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mörder im Zug

Mörder im Zug

Titel: Mörder im Zug
Autoren: Frank Goyke
Vom Netzwerk:
fragte sie und hatte Mühe, die aufkeimende Wut zu unterdrücken.
    »Der Wachschützer«, sprang Krüger ein. »Er hat zu spät reagiert.«
    »Er – hat – zu – spät – reagiert?« Barbara zerlegte den Satz in seine Bestandteile. »Heißt das etwa, Tatverdächtige – korrigieren Sie mich, falls ich irre – sind mir nichts, dir nichts aus dem Bahnhof spaziert? Habe ich das so weit richtig verstanden?«
    »Hm«, machte Helmich nur.
    »Wo ist der Mann ohne Eigenschaften?«
    Helmich wusste sofort, dass der Leiter der Mordkommission gemeint war, und deutete auf den vorderen Waggon.
    Als sich Barbara der offenen Tür näherte, sah sie den Chef durch ein Fenster. Sie stieg ein und begab sich die wenigen Stufen hinauf zum Zwischendeck. Uplegger folgte.
    Im Gegensatz zu den Kriminaltechnikern trug der Erste Hauptkommissar Gunnar Wendel kein Ganzkörperkondom, sondern lediglich hellblaue Plastikpuschen. Er lehnte am Geländer der Zwischen- und Oberdeck verbindenden Treppe und sprach mit seinem Adlatus Breitbart. Der gestikulierte mit einem Diktaphon in der rechten Hand. Barbara und Uplegger grüßten.
    »Es ist etwas schief gelaufen«, sagte Wendel. Breitbart ließ das Diktaphon sinken.
    »Wir haben es schon vernommen«, sagte Barbara. Ihr Blick wurde angezogen von einem blutigen Schuhabdruck auf der zweiten Treppenstufe von oben. Daneben lag eine Zifferntafel mit einer 17 auf dem Boden.
    Barbara betrat die Treppe nur bis zur Höhe Wendels, um keine Spuren zu beschädigen, und blickte sich aufmerksam um.
    Beidseits der Treppe erstreckten sich Sitzreihen, deren Lehnen zum Fenster wiesen, und vor der linken Reihe lag ein junger Mann. Um seinen verkrümmten Körper hatte sich eine dunkelrote Lache gebildet, auch seine ockerfarbene Daunenjacke, seine Hände und sein Gesicht waren blutverschmiert. Manfred Pentzien, seines Zeichens Chef der Spurensicherung, hockte neben dem Toten und leerte dessen Taschen. Was er fand, betrachtete er von allen Seiten, dann sprach er in ein Mikrofon an der Kopföffnung seines weißen Overalls: »Betriebsausweis der Golden World Caviar Production , Güstrow – ’n Abend, Barbara, hallo, Jonas –, ohne Lichtbild, ausgestellt für …«, er stutzte, »… Andriejus Medanauskas. Gott, da verrenkt man sich ja die Zunge.«
    »Ein Ausländer!«, rief Breitbart. »Da bekommen wir die Presse auf den Hals!«
    »Ich buchstabiere«, diktierte Pentzien ungerührt weiter für die Sekretärin, die das Band verschriftlichen würde. Zugleich reichte er das Fundstück einer jungen Mitarbeiterin, die es in eine durchsichtige Plastiktüte gleiten ließ, diese zuknipste und beschriftete. Zwei weitere Kriminaltechniker waren mit den Fenstern beschäftigt, wo sie Blutspritzer fotografierten und vermaßen. Ein dritter fertigte auf einem Klemmbrett ein Blutablaufbild an.
    Auf der Sitzbank lag ein schwarzer Rucksack mit roten Applikationen. Der Rucksack schien ebenfalls Blutspritzer aufzuweisen. Die Spurensicherung hatte ihm die Nummer 24 gegeben.
    Manfred Pentzien versenkte die Hand abermals in der Innentasche des blutbefleckten Anoraks. Aus ein paar länglichen Rissen quollen rote Daunen.
    »Kommt ruhig näher«, sagte er, »mit der Treppe sind wir fertig. Sonst hätte ich nie zugelassen, dass Gunnar sich so weit vorwagt.«
    Barbara und Uplegger stiegen drei Stufen höher.
    »Aber tretet nicht auf den Schuhabdruck!« Pentzien förderte ein amtliches Dokument zu Tage. »Aha, ein Pass! Dunkelblau, goldene Aufschrift in Versalien: LATVIJAS REPUBLIKA. In der Mitte ein Emblem, beh-zett-weh, ein Wappen. Zur Blasonierung … Ja, da wollt ihr wissen, was das ist! Die heraldische Beschreibung eines Wappens, meine Lieben … Das müssen Sie nicht abschreiben, Frau Pergande. Zur Blasonierung: Das Wappen ist geteilt und unten gespalten. Das obere Feld wird eingenommen von einer … sieht aus wie eine aufgehende Sonne mit Strahlen. Unten vorn, also heraldisch rechts …«
    Barbara wandte sich Uplegger zu und deutete auf den aufgeklappten Metallkoffer am Fuß der Treppe. Uplegger verstand und holte zwei Paar Gummihandschuhe heraus. Tapfer versuchte Barbara, ihre Wurstfinger in die Schutzhülle zu quetschen.
    »Unter dem Emblem steht das Wort PASE, ebenfalls in Versalien«, sagte Pentzien gerade. »Ausgestellt für Medanauskas, Andriejus, geboren am 27. März 1983 in Riga, Ausstellungsdatum 12. Januar 2002, ausgebende Behörde ist … oh Gott, oh Gott … Latvijas Republikas vēstniecība Vācijas Federatīvajā Republikā. Das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher