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Mitternachtsstimmen

Mitternachtsstimmen

Titel: Mitternachtsstimmen
Autoren: John Saul
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ausbrechen.
»Bloß nicht«, warnte Mark Noble, der genau spürte, wie
Ryan sich fühlte. »Einer von euch muss uns schließlich
erzählen, was passiert ist, und da sich deine Mutter die Seele
aus dem Leib heult, und deine Schwester aussieht wie halb
gestorben, bleibt diese Aufgabe wohl oder übel an dir hängen.«
Marks Worte ließen seine Tränen auf der Stelle versiegen.
Etwas unsicher schaute Ryan zu ihm auf. »Sie wollten Laurie
umbringen. Rebecca und ein anderer Junge sind schon tot.«
»Verstanden«, sagte Mark so gelassen, als wäre das, was
Ryan eben gesagt hatte, das Normalste von der Welt. »Wie
wollten sie das anstellen? Und nur, damit ich alles richtig auf
die Reihe kriege, wer sind ›sie‹?«
»Tony Fleming und diese Melanie und der Portier und …
alle anderen in diesem komischen Haus!« Ryans Stimme nahm
einen streitlustigen Ton an, und sein Blick verriet, dass er
überzeugt davon war, dass Mark ihm nicht glaubte. »Das ist die
Wahrheit!«
»He, habe ich etwa was dagegen gesagt?«, rief Mark und
hob abwehrend die Hände.
»Es ist wahr«, warf Caroline ein, die nach einem
Taschentuch suchte, keines fand und sich schließlich die Nase
am Ärmel der Schwesternuniform abwischte. »Da, seht.«
Behutsam hob sie das Laken hoch, das sie zusammen mit
Laurie von der Bahre genommen hatte, um den beiden
Männern die Einstiche an Lauries Armen und Beinen zu
zeigen.
»Verdammt«, entfuhr es Mark, der nun keine Sekunde mehr
an Ryans Worten zweifelte. »Was geht in diesem Haus vor?«
Die nächsten Stunden verstrichen damit, dass Caroline
versuchte, der Reihe nach alles zu erzählen, was seit ihrem
Einzug ins Rockwell passiert war. Die beiden Männer hörten
ihr aufmerksam zu, ohne sie ein einziges Mal zu unterbrechen
oder etwas in Frage zu stellen. Hin und wieder brachte einer
von ihnen Caroline eine Tasse Tee oder eine Kleinigkeit zu
essen, und als Caroline mit ihrem Bericht zu Ende war,
dämmerte bereits der Morgen heran. Ryan war in einem der
bequemen Fernsehsessel eingeschlafen, und Laurie bekam
allmählich wieder etwas Farbe.
»Ich weiß, das klingt alles ziemlich verrückt, aber genau das
ist passiert. Wenn Ryan es nicht geschafft hätte, aus dem Haus
zu entkommen und mich zu finden …«
»Wie hat er das denn gemacht?«, wollte Mark wissen.
»Er hat einen Geheimgang entdeckt, der über seinem
begehbaren Kleiderschrank entlangführt, und gehört, wie Tony
jemandem sagte, wo er mich finden könne. Ich glaube, das war
Sergeant Oberholzer gewesen, weil er mich kurz darauf
besuchte.« Hoffnungslosigkeit lag in dem Blick, mit dem sie
Kevin ansah. »Er hat mir kein Wort geglaubt, und ich fürchte,
ich kann ihm das nicht einmal verdenken. Immerhin fand er
mich in irgendeinem Krankenhaus vor, ans Bett fixiert wie eine
Irre.«
»Okay, aber jetzt bist du nirgendwo angebunden und
befindest dich auch nicht in einem Krankenhaus, und deshalb
solltest du ihn anrufen.«
Caroline wurde leichenblass. »Kevin, er glaubt mir nicht!
Und wenn ich ihn anrufe –«
»Wen willst du sonst anrufen?«, gab Kevin zurück. »Wenn
du Laurie nicht ins Krankenhaus bringen und dich nicht an die
Polizei wenden willst, was hast du dann vor?«
»Ich weiß es nicht!«, rief Caroline verzweifelt aus, und
wieder stiegen ihr die Tränen in die Augen. »Ich bin – ach,
mein Gott, ich habe Angst, ich bin hundemüde und –«
»Und du kannst nicht mehr klar denken«, endete Kevin für
sie. »Trotzdem, wenn du Oberholzer nicht anrufst, dann tu ich
das. Er kann rüberkommen, und wir werden dafür sorgen, dass
er dich nirgendwohin mitnimmt.«
»Er wird Tony verständigen –«, begann Caroline, aber Kevin
schüttelte den Kopf. »Nein, das werde ich ihm schon ausreden.
Ich werde ihm erzählen, dass Tony dich schlägt oder so was.«
»Das glaubte er dir doch nie!«
»Dann erzähle ich ihm halt was anderes. Aber du musst
unbedingt mit ihm sprechen.« Als Caroline weitere Einwände
vorbringen wollte, schüttelte er wieder den Kopf. »Okay,
Caroline, entweder du redest mit ihm, oder du gehst zu einem
Psychiater.«
Der letzte Rest Farbe wich aus ihrem Gesicht. »Ihr glaubt
mir auch nicht!«, rief sie mit schriller Stimme. »Ihr glaubt, ich
bin verrückt!«
Kevin griff nach ihrem Handgelenk und schaute ihr in die
Augen. »Das habe ich nicht gesagt«, stellte er richtig. »Ich sage
auch nicht, dass das alles völlig normal klingt, aber es ist
offensichtlich, dass in diesem Haus etwas nicht stimmt. Und
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