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Du sollst nicht hassen

Titel: Du sollst nicht hassen
Autoren: Izzeldin Abuelaish
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VORWORT
    von Dr. Marek Glezerman
    In den frühen neunziger Jahren, als ich Leiter der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe am Soroka Medical Center in Be’er Scheva war, nahm Dr. Izzeldin Abuelaish Kontakt zu mir auf und bat mich wegen Patientinnen, die er im Gazastreifen behandelte, um meine Meinung. Von da an stellte er mir, meist nach der Arbeit, regelmäßig Patienten vor – überwiegend unfruchtbare Paare –, die ich unentgeltlich beriet. Mit der Zeit lernte ich Izzeldin als einen engagierten Arzt und einfühlsamen Menschen kennen und war von seinem aufrichtigen Mitgefühl für seine Patienten beeindruckt. Es ist nicht einfach, vom Gazastreifen zum Soroka Medical Center zu gelangen. Man weiß nie, wann die Grenze geschlossen und ob man wieder zurückgelangen wird. In Anbetracht der Tatsache, dass er und seine Landsleute aus Gaza täglich diesen frustrierenden Beschwerlichkeiten ausgesetzt sind, beeindruckte es mich, dass Izzeldin seine Klagen niemals verallgemeinerte; er äußerte sich vielmehr gezielt zu ganz konkreten Vorfällen. Diese Haltung zeigt sich auch in seinem grundlegenden Optimismus: Pessimismus oder Hoffnungslosigkeit scheinen ihm fern zu sein. Er hält sich niemals mit Dingen auf, die man hätte tun können oder sollen, sondern richtet seine Aufmerksamkeit auf das, was noch zu tun ist. Er blickt hoffnungsvoll nach vorn, was in dieser Welt nicht einfach ist – und schon gar nicht in seiner.
    Ein weiterer beeindruckender Charakterzug ist Izzeldins ständiger Drang, sein Wissen zu erweitern. Er ist stets darum bemüht, seine praktischen Kenntnisse auszubauen und ist unermüdlich in seinen Studien und Fortbildungen. Als ich ihn kennenlernte, praktizierte er Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Saudi-Arabien, aber er träumte von einer offiziellen Facharztausbildung in Israel. Ich sah es als eine lohnenswerte Aufgabe an, dafür zu sorgen, dass er als erster Palästinenser die Möglichkeit dazu erhielt. Die Residence Programs, in denen man diese Qualifikation erhält, sind in Israel sehr anspruchsvoll. Und es war weniger eine Frage der Eignung, als danach, ob er den Verpflichtungen, die mit dem Programm verbunden waren, gerecht werden konnte, da er ja nie wusste, ob er über die Grenze kommen würde.
    1995, ich hatte gerade die Abteilungsleitung in einer anderen Klinik übernommen, wurde Izzeldin zur Facharztausbildung für Gynäkologie und Geburtshilfe am Soroka Medical Center zugelassen. Es war eine individuell zugeschnittene Weiterbildung, für die keine regulären Prüfungen vorgesehen waren, die jedoch dem offiziellen Lehrplan folgte. Er absolvierte das Programm und die vorgesehenen Praktika in den verschiedenen Abteilungen trotz aller Hindernisse – trotz der mühsamen Grenzüberquerungen, Sprachbarrieren und Schwierigkeiten des Zeitplans: Konnte er nämlich nicht pünktlich erscheinen, musste jemand anders kurzfristig einspringen, was niemand gerne tut. Je nachdem, was im Grenzgebiet gerade los war, gab es Zeiten, in denen Izzeldin, so wie alle anderen Palästinenser aus Gaza, nicht nach Israel einreisen durfte. Manchmal konnte er, wenn nach einer Nachtschicht die Grenze geschlossen war, nicht zu seiner Familie nach Gaza zurückkehren. Aber er gab nie auf. Er absolvierte die sechsjährige Ausbildung, lernte währenddessen Hebräisch und wurde zu einem fachkundigen Gynäkologen und Geburtshelfer.
    Izzeldin hätte allen Grund, von seiner Umgebung enttäuscht und frustriert zu sein, doch er ist es nicht. Trotz allem, was er gesehen und durchgemacht hat, glaubt er unerschütterlich an den Friedensprozess und an ein Zusammenleben von Juden und Palästinensern. Er sieht Israel nicht als monolithische Einheit, in der alle Menschen gleich sind. Er kennt viele Israelis, und manche von ihnen wurden zu Freunden. Er weiß, dass es auch Israelis gibt, die die Palästinenser nicht zu Terroristen abstempeln und kennt umgekehrt zahlreiche Palästinenser, die nicht alle Israelis als rechtsgerichtete Besatzer ansehen. Er ist überzeugt, dass unsere beiden Völker von Krieg und Blutvergießen genug haben und in Frieden miteinander leben wollen. In der Vergangenheit waren es vielleicht eher die einfacheren Menschen auf beiden Seiten, die zu militanten Mitteln griffen, und die Regierungen waren damals eher bereit, nach Lösungen zu suchen. Seiner Auffassung nach sind die Verhältnisse heute umgekehrt: Von unten her wollen Palästinenser und Israelis friedliche Verhältnisse und ein menschenwürdiges
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