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Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Titel: Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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wandelbare Gesamtheit an Eigenschaften aufweisen und ihren je eigenen Stil an den Tag legen, so wie dies bei «multiplen Persönlichkeiten» beobachtet wird – präziser gesprochen, da wir alle multiple Persönlichkeiten sind: bei Menschen mit einer multiplen Persönlichkeitsstörung (vgl. S. 132ff.).
    Wie dem auch sei, ich vermeide den Begriff «Teilpersönlichkeit», weil der Begriff «Persönlichkeit» reserviert ist für ein Gesamt, das die Vielfalt «unter einen Hut» bringt. Die «Mitglieder des Inneren Teams» hingegen sind konzipiert als einheitliche Impulsmuster, als eindimensionale Geraden im seelischen Kräfteparallelogramm, als Teile, die ein seelisches Anliegen vertreten bzw. in der inneren Gruppendynamik eine bestimmte Rolle übernehmen. Sie sind damit nicht etwa gleichbedeutend mit Verhaltensweisen oder Gefühlen. Angenommen, ein Kind versteckt sich in etwas auffälliger Weise, wenn fremder Besuch kommt. Wir würden zu oberflächlich bleiben, wenn wir einen «Versteckspieler» im Inneren Team konstatieren würden. Bei näherem Hinsehen und tieferem Einfühlen werden wir gewahr, dass bei dieser Verhaltensweise zwei innere Mitglieder zusammenwirken und einen schöpferischen Kompromiss erfunden haben: Das eine, ein schüchtern Fremdelnder , dem das Vorgestellt-Werden peinlich und zuwider ist, möchte sich unsichtbar machen, im Mauseloch verkriechen; das andere, ein kleiner Narziss , möchte gesehen werden, womöglich im Mittelpunkt stehen. «Ich mache mich unsichtbar!», sagt das eine, und «Ihr sollt mich finden!» das andere.
    Genauso wenig sind innere Mitglieder mit bestimmten Gefühlen identisch. Angenommen, unsere Studentin aus dem Musterbeispiel würde zögern, ihrem Studienkollegen die Mitschriften zu überlassen, und angenommen, er würde ungeduldig nachsetzen: «Komm, hab dich nicht so!» Und nehmen wir an, sie würde empört darauf reagieren. Dann kann man zwar in vorläufiger, erster Annäherung davon sprechen, dass sich eine Empörte in ihr melden würde. Aber «wer» ist es denn, der sich da in ihr empört? Wer ist die Urheberin    [2] des Gefühls? Ist das jemand, der ihre Selbstbestimmung bedroht sieht, da der Studienkollege ihre Entscheidung nicht respektieren will ( Autonomie-Wächterin )? Oder jemand, der über ihr Ehrgefühl wacht und seinen geringschätzigen Tonfall zurückweist? Oder beide zusammen? Wer auch immer dahintersteckt: Bei anderer Gelegenheit kann dasselbe Mitglied, das sich an dieser Stelle empört, mit Genugtuung, Rührung, Freude oder unbändiger Wut reagieren.
    Die Urheber innerer Botschaften
    Wir kommen dem Wesen unserer inneren Teilnehmer am nächsten, wenn wir sie kommunikationspsychologisch als Urheber innerer Botschaften auffassen, wobei das, was sie «auf dem Herzen haben» und von sich geben, wieder genau jene quadratische Struktur aufweist, wie wir sie für den zwischenmenschlichen Kontext gewohnt sind («Miteinander reden 1»):

    Abb. 8:
    Die quadratische Struktur innerer Botschaften mit drei möglichen Adressaten
    Auf der Selbstkundgabe-Seite zeigen sich die inneren Mitglieder in ihrer Identität («Wer bin ich, wofür stehe ich?») und in ihrer Befindlichkeit («Wie ist mir ums Herz?»).
    Auf der Sachinhalts-Seite drücken sie eine bestimmte Weltsicht aus, denn jedes innere Mitglied sieht die Welt auf seine Weise.
    Auf der Beziehungs-Seite geben sie zu erkennen, wie sie zum Adressaten stehen, was sie von ihm halten.
    Und auf der Appell-Seite kommt zum Ausdruck, wozu sie ihn bewegen wollen.
    Wer aber ist der Adressat? Der Urheber der inneren Botschaft kann sich an drei Adressaten wenden: entweder an den Teamchef (s. Kapitel 3) oder an einen inneren Teamkollegen (meist Gegenspieler) oder an ein äußeres Gegenüber.
    Wem unter den Lesern diese Unterscheidung von vier Aspekten und drei Adressaten zu kompliziert und zu fummelig wird, mag getrost weiterlesen: Für das Folgende ist sie von geringer Bedeutung. Allein der professionelle Klärungshelfer sollte, wenn er als Hebamme an der «Geburt» eines inneren Botschafters beteiligt ist, die Aspekte und Varianten im Hinterkopf haben. Wenigstens sei aber der Gedanke noch an einem Beispiel erläutert: Ich wähle aus dem Inneren Team unserer Musterstudentin jenes Mitglied, das auf die Bitte ablehnend reagiert ( = die auf sich selbst Bedachte ):

    Selbstkundgabe: «Das habe ich für mich erarbeitet, und ich möchte die Früchte meiner Bemühungen allein ernten. Ich käme mir sonst ausgenutzt vor!»

    Sachinhalt:
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