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Mit Schimpf und Schande

Mit Schimpf und Schande

Titel: Mit Schimpf und Schande
Autoren: David Weber
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den letzten Wochen war ihr zu Bewußtsein gekommen, welch tiefes Interesse er an ihrer Laufbahn gehegt haben mußte, und der Gedanke, er könnte der Meinung sein, sie hätte sich seiner Hilfe unwürdig erwiesen, indem sie sich die Karriere ruinierte, war zu viel, um es zu allem anderen noch ertragen zu können.
    »Kann ich Sie unter vier Augen sprechen, Dame Honor?« fragte er leise, und sie mußte sich beherrschen, um nicht zusammenzuzucken, als ihr der bittende Unterton in seiner Stimme bewußt wurde. Am liebsten hätte sie sein Ansinnen abgelehnt und behauptet, sie habe keine Zeit. Sie öffnete den Mund dazu, dann hielt sie inne. Er mußte wissen, daß sie seine Anrufe ignoriert hatte, trotzdem war er persönlich zu ihr gekommen. Ganz gleich, wie sehr er sie verachtete, sie schuldete ihm wenigstens die Höflichkeit, ihn anzuhören.
    »Selbstverständlich, Mylord.« Ihre Stimme klang lahm durch ihr Bemühen, sich darin keine Gefühlsregung anmerken zu lassen. Honor nickte ihren Gefolgsleuten zu. »Warten Sie bitte im Gang auf mich.«
    MacGuiness nickte, und er und LaFollet stellten sich außen neben die Luke. Sie schloß sich leise hinter White Haven. Honor wandte sich dem Admiral zu und wußte, daß ihr Gesicht zu einer Maske erstarrt war. White Haven sah in der ausgeräumten Kabine umher. Etwas Unbeholfenes war an ihm, er strahlte ein eigenartiges Ungleichgewicht aus. Er räusperte sich.
    »Haben Sie sich schon entschieden, wohin Sie gehen?« fragte er schließlich.
    »Zurück nach Grayson.« Sie zuckte mit der gesunden Schulter; mit den Fingern der rechten Hand strich sie über die Captainsuniform, die sie trug. Das war nach wie vor ihr Recht, so wie sie auch MacGuiness mitnehmen durfte, den sie allerdings zurückgelassen hätte, wäre er mit dieser Bitte an sie herangetreten. Trotz des Skandals hatte man sie nicht unehrenhaft entlassen können; man konnte nicht mehr tun, als ihr einen Brief zu schreiben, in dem man ihr ›bedauernd mitteilen mußte‹, daß Ihre Lordschaften sich im Augenblick außerstande sähen, ein Kommando für sie zu finden. Sie war auf den Boden gesetzt, bezog nur Halbsold, und ein Teil in ihr fragte, warum sie der Pein nicht dadurch ein Ende gemacht habe, daß sie den Dienst quittierte.
    »Grayson«, murmelte White Haven. »Das ist gut. Sie müssen eine Weile fort, ein wenig Abstand gewinnen, die richtige Perspektive finden.«
    »Ich gehe nach Grayson, weil ich dort wenigstens noch etwas Nützliches tun kann, Mylord, nicht, um ›Perspektive‹ zu gewinnen.« Honor hörte die Verbitterung in ihrer eigenen Stimme, und diesmal konnte sie sie einfach nicht zurückhalten. Schließlich wandte White Haven sich ihr wieder zu, und sie sah ihn an, wie er schlank und hochgewachsen, unnachgiebig und trotzdem seltsam verwundbar in der stillen Kabine stand, die ihr gehört hatte.
    »Sie hatten recht, Mylord«, fuhr sie mit rauher Stimme fort. »Sie haben mir prophezeit, was geschehen würde. Ich …« Sie schluckte und wandte den Blick ab, zwang sich jedoch, weiterzusprechen. »Ich weiß, daß ich Sie enttäuscht habe, Sir. Und das … bedaure ich. Ich bereue nicht, was ich getan habe, oder warum – nur, daß ich Sie enttäuscht habe.«
    »Das sollten Sie nicht«, entgegnete er leise, und erstaunt richtete sie ruckartig wieder den Blick auf ihn. »Dame Honor, kennen Sie eigentlich den wahren Grund, warum ich so wütend auf Sie war, als Sie meinen rechtswidrigen Befehl zurückwiesen?« fragte er nach einer Weile.
    »Weil Sie wußten, wie es kommen mußte. Daß ich mir die Karriere ruinieren würde«, sagte sie trotz des Kloßes in ihrer Kehle.
    »Unfug!« schnaubte White Haven. Honor zuckte überrascht zusammen. Ihre Kehle war plötzlich wie zugeschnürt. Der Admiral sah den Schmerz in ihren Augen und faßte nach ihr. »Was ist?« wollte er sehr sanft wissen. Honor zuckte mit dem Kopf und holte tief Luft.
    »Das sagte der Admiral – Admiral Courvosier – immer zu mir, wenn ich ihm eine falsche Antwort gab, Sir«, antwortete sie leise.
    »Tatsächlich?« White Haven grinste schief, und diesmal berührte er sie, legte ihr die Hand auf die gesunde Schulter. »Das sollte mich nicht überraschen. Schließlich hat er das auch zu mir immer gesagt.« Der Druck seines Griffes ließ nach. »Er war ein guter Mann, Honor. Ein guter Lehrer und ein noch besserer Freund, und er hatte immer das Auge. Er erkannte die Stars, wenn er sie sah, und ich glaube«, damit sah er ihr direkt in die Augen, »daß er nun noch
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