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Bad Monkeys

Bad Monkeys

Titel: Bad Monkeys
Autoren: Matt Ruff
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Weißes Zimmer (i)

    Es ist ein Zimmer, wie es sich ein einfallsloser Stückeschreiber ausdenken könnte, während er auf ein weißes Blatt starrt: Weiße Wände. Weiße Decke. Weißer Fußboden. Nicht völlig, aber hinreichend leer, um den Verdacht aufkommen zu lassen, dass die wenigen vorhandenen Gegenstände eine entscheidende Rolle in dem bevorstehenden Drama spielen werden.
    Eine Frau sitzt auf einem von zwei Stühlen an einem rechteckigen weißen Tisch. Ihre Hände liegen, mit Handschellen gefesselt, vor ihr; sie trägt einen orangefarbenen Gefängnisoverall, dessen grelle Farbe in all dem Weiß stumpf wirkt. An der Wand, über dem Tisch, hängt das Foto eines lächelnden Politikers. Gelegentlich wirft die Frau einen Blick auf das Foto oder auf die Tür, den einzigen Ausgang aus dem Zimmer, aber meistens starrt sie auf ihre Hände und wartet.
    Die Tür öffnet sich. Ein Mann in weißem Kittel tritt ein und bringt weitere Requisiten mit: eine Aktenmappe und einen Minirecorder.
    »Hallo«, sagt er. »Jane Charlotte?«
    »Anwesend«, sagt sie.
    »Ich bin Dr. Vale.« Er schließt die Tür und kommt an den Tisch. »Ich bin hier, um mich mit Ihnen zu unterhalten, wenn’s Ihnen recht ist.« Als sie die Achseln zuckt, fragt er: »Wissen Sie, wo Sie sind?«
    »Wenn die das Zimmer nicht in der Zwischenzeit verlegt haben …« Dann: »Las Vegas, Strafvollzugsanstalt Clark County. Beklopptentrakt.«
    »Und Sie wissen, warum Sie hier sind?«
    »Ich bin im Gefängnis, weil ich jemand getötet habe, den ich nicht hätte töten sollen«, sagt sie nüchtern. »Warum ich in diesem Zimmer bin, mit Ihnen – das hängt vermutlich mit dem zusammen, was ich den Detectives gesagt habe, die mich festgenommen haben.«
    »Ja.« Er deutet auf den leeren Stuhl. »Darf ich mich setzen?«
    Ein weiteres Achselzucken. Er setzt sich. Er hält sich den Recorder vor den Mund und sagt auf: »5. Juni 2002, ungefähr 9.45 Uhr. Dr. Richard Vale im Gespräch mit Untersuchungsperson Jane Charlotte, wohnhaft … Wie lautet Ihre derzeitige Heimatadresse?«
    »Ich bin zur Zeit irgendwie unbeheimatet.«
    »… ohne festen Wohnsitz.« Er stellt den weiterhin eingeschalteten Recorder auf den Tisch und schlägt die Mappe auf. »So … Sie haben den festnehmenden Beamten gesagt, dass Sie für eine Geheimorganisation zur Verbrechensbekämpfung namens ›Bad Monkeys‹ arbeiten.«
    »Nein«, sagt sie.
    »Nein?«
    »Wir bekämpfen nicht das Verbrechen, wir bekämpfen das Böse. Das ist nicht das Gleiche. Und Bad Monkeys ist der Name meiner Abteilung. Die Organisation als Ganzes hat keinen Namen – jedenfalls kenne ich keinen. Sie ist einfach nur ›die Organisation‹.«
    »Und was bedeutet ›Bad Monkeys‹?«
    »Das ist ein Deckname«, sagt sie. »Jede Abteilung hat einen. Die offiziellen Namen sind so lang und kompliziert, dass sie nur für Briefköpfe taugen, also denken sich die Leute Kurzformen aus. Wie die Verwaltung, offiziell ist das ›Die Abteilung für optimale Nutzung von Sach- und Humanressourcen‹, aber jeder nennt sie bloß ›Kosten-Nutzen‹. Und die Nachrichtendienstler, die sind ›Die Abteilung für ubiquitäre intermittierende Observierung‹, aber mündlich sind sie bloß ›Panopticon‹. Und dann gibt’s noch meine Gruppe, ›Die Abteilung für die finale Ausschaltung nicht zu rettender Personen‹ …«
    »Nicht zu rettende Personen.« Der Arzt lächelt. »Bad Monkeys: Schlechte Affen.«
    »Genau.«
    »Aber sollte es dann nicht besser Bad Apes heißen?« Als sie nicht antwortet, fängt er an zu erklären. »Apes, also Menschenaffen, sind mit dem Menschen näher verwandt als –«
    »Sie channeln Phil«, sagt sie.
    »Was?«
    »Sie quatschen wie mein kleiner Bruder. Der ist auch so ein Haarspalter.« Sie zuckt die Achseln. »Ja, streng genommen sollte es wohl apes heißen und nicht monkeys. Und streng genommen«, sie hebt die Hände und lässt die Kette rasseln, »sollten die Dinger hier Hand gelenk schellen heißen. Tun sie aber nicht.«
    »Worin besteht Ihre Arbeit bei Bad Monkeys«, fragt der Arzt, »also was tun Sie? Böse Menschen bestrafen?«
    »Nein. Normalerweise töten wir sie einfach.«
    »Und Töten ist keine Strafe?«
    »Nur dann, wenn man’s tut, um jemand irgendwas heimzuzahlen. Aber das ist nicht das Ziel der Organisation. Wir versuchen lediglich, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.«
    »Indem Sie böse Menschen töten.«
    »Nicht alle. Nur die, bei denen Kosten-Nutzen zu dem Schluss kommt, dass sie durch ihre
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