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Bad Monkeys

Bad Monkeys

Titel: Bad Monkeys
Autoren: Matt Ruff
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wieder den Kopf hob, um nach Luft zu schnappen, war es schon fast Abend. Da hab ich richtig Schiss gekriegt, als mir das klargeworden ist, weil, wissen Sie, stundenlang auf einem Fleck sitzen, praktisch ohne sich zu rühren, das war das, was Phil immer machte.
    Sie hatten Angst, sich in Ihren Bruder zu verwandeln?
    Ja. Ich weiß, das klingt heute komisch, aber damals? Der Gedanke hat mir richtig Panik gemacht. Also bin ich sofort aufgestanden, hab meine Knete geholt und bin schnurstracks zum Highway.
    Was war mit dem Versprechen, das Sie Officer Friendly gegeben hatten?
    Na ja, ich hatte nicht vor, richtig abzuhauen. Es war mehr eine Art Testlauf – eine Art Machbarkeitsstudie in Sachen Trampen. Wie sich rausstellte, hatte ich auch genau den richtigen Zeitpunkt erwischt, denn wie ich da an der Straße stand, hab ich etwas echt Interessantes gesehen.
    Es war ein Mädchen, ungefähr in meinem Alter. Mexikanerin, aber mit Zigarette im Mund, was sie als Mitglied meines Stammes auswies. Sie saß draußen hinter dem Diner, an der Wand, wo die Müllcontainer standen. Sie hatte sich ein paar Kartons rausgefischt und sich daraus eine Art Unterstand gebastelt, und jetzt hockte sie da drin mit einem Haufen grüner Steine. Ich bin also näher ran und hab gesehen, dass die Steine in Wirklichkeit Orangen waren. Das Mädchen hatte eine selbstgebastelte Steinschleuder, und sie schoss damit diese unreifen Orangen über die Straße.
    Auf Autos?
    Das wäre cool gewesen, aber nein, über die Straße, auf die Tankstelle gegenüber. Da war ein Typ, Hispano wie das Mädchen, aber älter, achtzehn, neunzehn Jahre. Er sollte wohl die Zapfsäulen bedienen, aber tatsächlich machte er ein Spätnachmittagsnickerchen. Beziehungsweise versuchte es; jedes Mal, wenn er einnickte, schoss das Mädchen die nächste Orange ab.
    Sie versuchte nicht, ihn direkt zu treffen; damit hätte sie sich verraten. Stattdessen zielte sie auf das Dach der Tankstelle, und das war aus Wellblech. Die Orange schlug mit einem Mordsknall auf, und der Typ wurde mit einem Ruck wach und kam unter dem Vordach angerannt, gerade rechtzeitig, um die runterrollende Orange auf die Birne zu kriegen. Dann stand er da und rieb sich den Kopf und brüllte das Dach an und forderte den Orangenschmeißer auf, sich ihm endlich, wie ein Mann, zu zeigen.
    Ich sah mir das eine Weile an, so vielleicht fünf Schüsse lang, und mit jedem Mal wurde mir das Mädchen ein Stück sympathischer. Ich schlich mich derweil auch immer näher an ihr Versteck heran, bis ich direkt hinter ihr stand. »Herrje«, sagte sie endlich, »hock dich wenigstens hin oder so, wenn du schon hier sein musst. So blöd ist er nun auch wieder nicht.«
    Ich setzte mich zu ihr in den Unterstand. Sie stieß einen Riesenseufzer aus, als könnte sie jetzt wirklich keine Gesellschaft gebrauchen, aber dann hat sie mir ihr Zigarettenpäckchen angeboten. Ich wollte mir eine rausholen und sah, dass es Schokoladenzigaretten waren – also vielleicht doch keine Stammesschwester. Aber ich nahm trotzdem eine, um nicht unhöflich zu sein.
    »Der Typ da ist also dein Bruder?«, fragte ich.
    »Mein bescheuerter Bruder«, sagte sie. »Felipe.«
    Ihr Bruder hieß ebenfalls »Phil«?
    Ja. Komischer Zufall. Und nicht der einzige: Sie hieß Carlotta. Carlotta Juanita Diaz. »Ich bin Jane Charlotte«, sagte ich, und sie nickte, als ob sie das längst wüsste, und sagte: »Du wohnst bei den Fosters.«
    »Zur Zeit«, sagte ich. »Und was ist mit dir?«
    »Ich hab schon immer hier gewohnt. Meine Eltern sind von Tijuana hergezogen, als Felipe noch ein Baby war.«
    »Die Tankstelle gehört deinen Eltern?«
    »Der Laden hier auch.« Sie zeigte mit dem Daumen auf den Diner. »Und mein Dad ist Diakon in der Kirche.«
    »Wow«, sagte ich. »Wichtige Leute.«
    »Ja, Mann, wir sind die Kings und Queens vom Ende der Welt.«
    Auf der anderen Straßenseite hatte Felipe es sich wieder auf seiner Gartenliege bequem gemacht. Carlotta reichte mir die Steinschleuder. »Denk dran«, sagte sie: »Hoch zielen.« Ich tat’s, und ich schaffte es, das Dach zu treffen, aber anstatt zurückzurollen, dotzte die Orange über den First und fiel auf der anderen Seite runter. Egal: Felipe machte trotzdem einen Satz, aber anstatt sich wieder seiner Siesta hinzugeben, flitzte er diesmal ins Tankstellenhäuschen. Als er einen Augenblick später wieder auftauchte, schleifte er eine ausziehbare Leiter hinter sich her.
    »Sag mal, Carlotta«, fragte ich, »wie lange treibst du das
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