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Bad Monkeys

Bad Monkeys

Titel: Bad Monkeys
Autoren: Matt Ruff
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aufgefallen war, dass er sich nur Jungs griff, hatten ihm einen neuen Namen verpasst.
    »Der Würgengel«, sagte Carlotta. »Wie der in Ägypten, klar? Der die erstgeborenen Söhne tötete. Und ich hab zu meinem Vater gesagt: ›Hey, ich bin kein Junge, also was hab ich zu befürchten?‹ Aber er sagte: ›Was, wenn der Kerl sich vertut? Glaubst du vielleicht, wenn er dich erst in seinem Auto hat und sieht, dass du ein Mädchen bist, lässt er dich einfach wieder laufen?‹«
    Was erklärte, warum Señor Diaz wollte, dass ich mit seiner Tochter mitfuhr: Seine Überlegung war, wenn sie jemand hatte, der ihr Gesellschaft leistete, dann bestand weniger Gefahr, dass sie anfing sich zu langweilen und einen Spaziergang am Straßenrand lang machte. Und zweitens war ich von uns beiden eindeutig diejenige, die eher wie ein Junge aussah, sollte es also hart auf hart kommen, bestand die reelle Chance, dass der Engel mich nehmen würde.
    Señor Diaz klingt ja wie ein richtiger Menschenfreund.
    Was erwarten Sie? Eltern eben. Ich hab’s einfach nicht hingekriegt, beleidigt zu sein. Außerdem, das klingt jetzt wahrscheinlich abartig, aber es war irgendwie aufregend, sich das Risiko auszumalen. Ich meine, das ist doch mit ein Grund, warum die Leute an den schwarzen Mann glauben, oder? Das macht’s im Dunkeln spannender.
    Und ich hab ja auch nicht ernsthaft geglaubt, der Typ würde uns je wirklich über den Weg laufen. Sollte ich in dem Punkt irgendwelche Zweifel gehabt haben, sind die in dem Augenblick verflogen, als Onkel und Tante okay zu Señor Diaz’ Angebot sagten. Ich musste mir doch sagen, wenn’s wirklich riskant gewesen wäre, dann hätten sie darauf bestanden, dass ich den Bus nahm.
    Stattdessen holte mich meine Tante am ersten Schultag extra früh aus dem Bett, damit ich fertig wäre, wenn Carlottas Mom vorbeikam. Das einzige Mal, wo mir gewisse Zweifel bezüglich der neuen Regelung kamen, war, als die Tür meines Zimmers um fünf mit einem Knall aufflog. Eine halbe Stunde später saß ich im Auto, und Viertel vor sechs standen Carlotta und ich vor der Schule und aßen mit ein paar anderen Frühaufstehern Schokozigaretten.
    Gegen Viertel nach sechs trudelte die Schulbibliothekarin ein. Sie ließ uns rein, und dann mussten wir mit rauf in die Bibliothek, bis der Unterricht anfing. Nach Schulschluss sind wir dann wieder da rauf und haben die Zeit totgeschlagen, bis Felipe mit seinem Pick-up gekommen ist.
    Gab es in der Schulbibliothek Nancy-Drew-Bücher?
    Die ganze Reihe. Die Hardy Boys und die Bobbsey Twins auch. Carlotta war ganz verrückt nach den Bobbsey Twins, was ich nie kapiert hab – sie war wirklich in vielerlei Hinsicht ein komisches Mädchen.
    Und der Unterricht? Wie war der?
    Langweilig.
    Haben Sie sich auch mit anderen angefreundet?
    Nicht richtig. Ich hab versucht, eine taffe Clique zu finden, bei der ich hätte mitmachen können, aber Carlotta mit ihren Schoko- Pall -Malls war noch das Beste, was das Kaff in Sachen »jugendliche Delinquenten« zu bieten hatte. Die meisten der übrigen Kids – ich will ja nicht behaupten, dass sie hirnamputierte Hinterwäldler gewesen wären, aber sie waren hirnamputierte Hinterwäldler. Also hab ich mich an Carlotta gehalten, und wir haben uns solo amüsiert.
    Und gehörte zu diesem »Amüsieren« auch Amateurdetektivspielen?
    Nicht absichtlich. Sie reden vom Hausmeister, stimmt’s? Dass ich ihm auf die Schliche gekommen bin, war eigentlich Zufall.
    Wie ist es denn dazu gekommen?
    Die Schule war bloß zu rund sechzig Prozent ausgelastet, also hatte man, um Geld zu sparen, einen ganzen Flügel des Gebäudes dichtgemacht. Der geschlossene Flügel war offiziell Sperrgebiet, aber natürlich fassten das die Schüler bloß als Aufforderung auf, zu versuchen, da einzubrechen; Carlotta und ich hatten uns schon über die Möglichkeit unterhalten, uns von der Tankstelle eine Brechstange zu besorgen und uns ein bisschen umzusehen.
    Eines Nachmittags wollte ich dann aufs Klo, und da sehe ich, wie der Hausmeister eine der Verbindungstüren zum abgesperrten Flügel aufschließt. Er ging rein und zog die Tür hinter sich zu, aber ich hörte ihn nicht wieder abschließen. Das schien mir die Gelegenheit zu sein; fast wär ich zur Bibliothek zurückgerannt, um Carlotta zu holen, aber dann hab ich es mir ein bisschen gründlicher überlegt, und da hab ich begriffen, dass das in mehr als einer Hinsicht »die Gelegenheit« sein konnte.
    Sehen Sie, eine Sache, die mir in Siesta Corta
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