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Mit Schimpf und Schande

Mit Schimpf und Schande

Titel: Mit Schimpf und Schande
Autoren: David Weber
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lachhaft.
    Aber wenn sie überlebte, wäre ihre Karriere vorüber. Man hatte ihr das zu häufig prophezeit, als daß sie daran zweifehl konnte, und sie war entschlossen, diesen Preis zu bezahlen. Aber wenn sie die Navy verlor, würde die Navy wiederum sie verlieren. Jemand anderes würde HMS Nike und die anderen Schiffe befehligen, die unter Captain Harringtons Kommando gefahren waren, aber niemand anderes konnte sie ersetzen – nicht all das, was sie gewesen war. Niemand vermochte das, und Rafael Cardones und Alistair McKeon, Andreas Venizelos, Eve Chandler und Tomas Ramirez, sie alle würden dadurch geschwächt. Jemand Besonderes, jemand Wundervolles würde aus ihren Leben verschwinden und sie alle ärmer zurücklassen, weil sie Honor Harrington gekannt und verloren hatten.
    Cardones schämte sich vor sich selbst. Er schämte sich, weil er an seine Bedürfnisse dachte, an das, was er von ihr brauchte, und trotzdem kam er nicht dagegen an. In ihm regte sich der Drang, sie anzubrüllen, sie zu verwünschen, weil sie die Menschen im Stich ließ, die auf sie angewiesen waren, und gleichzeitig wollte er weinen, weil er wußte, was es Captain Harrington kostete, all diese Menschen zurückzulassen. Zwischen seinen widersprüchlichen Gefühlen gefangen, unfähig zu sprechen und mit traurigen Augen stand er da. Plötzlich hob der Baumkater auf ihrer Schulter den Kopf und sah Cardones direkt an. Die aufgerichteten Ohren der ‘Katze zuckten, die grünen Augen glühten auf, und dann wandte auch die Kommandantin den Kopf.
    »Rafe«, sagte sie sehr leise.
    »Skipper.« Zweimal mußte er sich räuspern, bevor er dieses eine Wort hervorbrachte. Sie nickte ihm zu, dann schaute sie wieder nach unten und ließ ein letztes Mal die Hand über die Armstütze des Kommandosessels gleiten. Cardones spürte ihr brennendes Bedürfnis, sich nur noch einmal in den Sessel zu setzen, sich auf der Brücke umzusehen und zu wissen, daß all das ihr gehörte. Aber sie tat es nicht, sie stand nur daneben und blickte auf den Sitz hernieder. Ihre langen, kräftigen Finger strichen mit graziöser Behutsamkeit darüber, und Cardones hob eine Hand. Er hielt sie ihr hin, ohne zu wissen, was er damit ausdrücken wollte oder was er ihr sagen sollte. Da atmete sie tief durch und trat einen Schritt vom Sessel zurück. Sie wandte sich ihm zu, sah seine Hand, und er öffnete den Mund, aber sie schüttelte den Kopf. Eine winzige, kaum sichtbare Bewegung, und doch kristallisierte sich darin alles, was sie war. Das Kopfschütteln war das Kopfschütteln der Kommandantin, darin lag so viel Autorität, so absolut und unanfechtbar, daß es niemals notwendig sein würde, sie zu artikulieren. Und als Cardones dies begriff, wurde ihm plötzlich etwas klar, das er schon immer gewußt hatte, ohne sich dessen wirklich bewußt zu sein: Honor Harringtons Autorität rührte nicht von ihrem Dienstgrad; sie kam von dem, wer und was sie war , nicht davon, was die Navy aus ihr gemacht hatte. Vielleicht war das Ganze sogar noch ein wenig komplizierter: Vielleicht hatte die Navy sie zu dem gemacht, was sie bereits war, aber wenn er damit recht hatte, dann war sie schon lange zuvor mehr gewesen als die Summe ihrer Teile.
    Sie ist Honor Harrington , dachte Cardones. Nicht mehr und nicht weniger, und nichts und niemand kann ihr das je nehmen – ganz gleich, was noch geschieht.
    Er ließ die Hand sinken, und der Captain straffte sich zu voller Größe und nahm die Schultern zurück.
    »Weitermachen, Commander«, sagte sie leise.
    »Aye, aye, Ma’am.« Er sprach genauso leise, aber er nahm dabei Haltung an. Dann hob er die Hand an das Band seines Baretts zu einer Ehrenbezeugung, die Saganami Island stolz gemacht hätte.
    Schmerz und Traurigkeit glänzten in Captain Harringtons Augen, aber da war noch mehr. Ein abschätzendes Etwas, von dem Cardones hoffte, es möge sich um Anerkennung handeln – so als gäbe sie etwas in seine Obhut, an dem ihr mehr lag als an ihrem Leben.
    Dann nickte sie, wandte sich ab und ging ohne ein weiteres Wort. Die Brücke von HMS Nike war plötzlich ein beengterer, einsamerer und unendlich ärmerer Ort als noch einen einzigen Augenblick zuvor.
     

32
    Der Regen, der spät in der vergangenen Nacht zu fallen begonnen hatte, versiegte, als Pavel Youngs Bodenwagen durch das Tor in der weinumrankten Mauer fuhr. Er hörte das zwar undeutliche, aber unverwechselbare Knirschen von nassem Kies, als das Kontragrav-Gleitfeld erlosch und der Wagen den Boden
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