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Mit Schimpf und Schande

Mit Schimpf und Schande

Titel: Mit Schimpf und Schande
Autoren: David Weber
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berührte. Die letzten Silbertränen liefen auf zitternder Spur am Fenster hinunter. Innerlich verzehrte ihn hohler Schrecken.
    Der Chauffeur stieg aus und ging um den Wagen, um ihm die Tür aufzuhalten. Young trat in den böigen, feuchten Morgen hinaus. Ihm folgte sein Bruder Stefan, einen Pistolenkasten in den Händen und so schweigsam wie auf der ganzen Fahrt. Pavel Young fragte sich nicht zum erstenmal, was sein Bruder dachte.
    Er hätte gar nicht fähig sein dürfen, sich diese Frage zu stellen; in dieser schrecklichen, panikerfüllten Furcht hätte er sich überhaupt keine Fragen mehr stellen dürfen. Er konnte die Furcht schmecken wie Erbrochenes ganz unten in der Kehle. Sein Verstand hingegen folgte mit fieberhafter Klarheit wie besessen einem Dutzend verschiedener Gedankengänge auf einmal, als suchte er sich dadurch zu retten, daß er sich weigerte, an dem Moment teilzuhaben.
    Feuchte Kälte legte sich mit klammen Fingern auf seine Wangen, und niedrig am Himmel eilten dichte Wolken. Sie umschlossen die Türme von Landing jenseits der Mauern des Duellplatzes. Windstöße zerrten wie Hände an seiner Kleidung und den Bäumen, die die Innenseite der Mauern säumten. Er hörte, wie sie Äste und Blätter schüttelten und der Regen hinunterplätscherte, als seufzte und regte er sich in trauervollem Leben. Als die grau uniformierte Polizistin auf Pavel Young zutrat, zuckte dieser zusammen.
    »Guten Morgen, Mylord«, sagte sie. »Ich bin Sergeant MacClinton. Lieutenant Castellano dient heute morgen als Schiedsrichter und hat mich gebeten, Ihnen seinen Gruß zu übermitteln und Sie auf das Feld zu begleiten.«
    Der Earl von North Hollow nickte. Die Bewegung war ein hastiges, abgehacktes Zucken, aber seiner Stimme traute er erst recht nicht. MacClinton war eine schlanke, attraktive Frau von der Sorte, bei der er normalerweise darüber zu spekulieren begann, wie gut sie wohl im Bett sein mochte. Heute weckte sie in ihm nur das verzweifelte Verlangen, weiterzuleben; am liebsten hätte er sich an sie geklammert und gebettelt, sie möge diesen Alptraum vorübergehen und ihn ungeschoren davonkommen lassen.
    Er blickte ihr ins Gesicht, suchte nach … etwas, und alles, was er unter ihrer geschäftsmäßigen Maske aus Neutralität erkannte, bestand aus Verachtung, die von noch Schlimmerem überschattet wurde. MacClintons Augen sahen in die Ferne, sie wirkten so abwesend, als schaute sie einen Dahingeschiedenen an, der nur noch die schrecklichen Mechanismen des Sterbens über sich ergehen lassen mußte, damit sein Tod offiziell wurde.
    Schluckend wandte er eilig den Blick ab, dann folgte er ihr gegen seinen Willen über den regennassen Rasen. Der undurchlässige Boden quatschte und durchnäßte ihm die Schuhe. Eine Stimme in seinem verdammten sich überschlagenden Verstand flüsterte, er hätte lieber Stiefel als niedrige Schuhe anziehen sollen. Am liebsten hätte er seine Gedanken vor Wut über ihre unsägliche Banalität laut angeschrien. Von der Gewalt, mit der er die Zähne zusammenbiß, schmerzten ihm mittlerweile die Kiefer.
    Dann blieben sie stehen. Ein erstickender Klumpen aus Furcht verschloß ihm die Kehle, als er Honor Harrington von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand.
    Sie sah ihn nicht einmal an. Auf irgendeine Weise war das noch furchteinflößender, als blanker Haß jemals hätte sein können. Sie stand neben Colonel Ramirez, und einige vom Wind aus ihrem kurzen Zopf losgerissene Haarsträhnen rahmten ihr markantes Gesicht ein. In ihrem Haar und auf ihrem Barett glitzerten Regentropfen, als wäre sie schon früher eingetroffen und hätte auf seine Ankunft gewartet. Keine Regung zeigte sich in ihren Zügen. Überhaupt keine. Von wo er stand, vermochte er nur ihr linkes Profil zu erkennen. Er betrachtete es wie betäubt, während Castellano den nutzlosen förmlichen Appell zur gütlichen Einigung herunterbetete und dann begann, die Pistolen zu überprüfen und auszuwählen. Ramirez und Stefan füllten auf sein Kommando die Magazine. Mit geschickten Fingern schnippten sie die Messingpatronen in die Magazine, und die Reglosigkeit – die konzentrierte, leere Ruhe – auf Harringtons Gesicht verspottete Youngs Furcht viel grausamer als das verächtlichste Grinsen es vermocht hätte. Ihr Selbstvertrauen umschloß sein Herz wie eine Faust, die mit stählernen Fingern zupackte. Wie Gift brannte in ihm die Panik.
    Sie würde ihn vernichten. In wenigen Augenblicken würde sie seine Zerstörung vollenden, und
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